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EnrsTEur, Zur Elektrodynamik bewegter Körper 27 A. Einstein, Ist die Ti^gheit eines Körpers von seinem Energieinhalt abhängig? 63 H. Minkowski, Raum und Zeit 66 A. Sommerfeld, Anmerkungen zu Minkowski, Raum und Zeit 69 H. A. LoRENTz, Das Relativit&tsprmzip und seine Anwendung auf einige beson- dere physikalische Erscheinungen 74 H. A. LoBiKTz. Der Interferenzversach MichelsonB * t, >. « • • • Der Interferenz versuch Michelsons. * / Von H. A. LoRENTz.*) 1. Wie zuerst von Maxwell bemerkt wurde und aus einer sehr ein- fachen Rechnung folgt, mu£ sich die Zeit, die ein Lichtstrahl braucht, um zwischen zwei Punkten A imd B hin und zurück zu gehen, ändern, sobald diese Punkte, ohne den Äther mit sich fortzuführen, eine gemeinschaftliche Verschiebung erleiden. Die Veränderung ist zwar eine Größe zweiter Ord- nung; sie ist jedoch groß genug, um mittelst einer empfindlichen Inter- ferenzmethode nachgewiesen werden zu können. Der Versuch wurde im Jahre 1881 von Herrn Michelson ausgeführt.**) Sein Apparat, eine Art Interferentialrefraktor, hatte zwei gleich lange, hori- zontale, zueinander senkrechte Arme F und Q, und von den beiden mitein- ander interferierenden Lichtbündeln ging das eine längs dem Arme P und das andere längs dem Arme Q hin und zurück. Das ganze Instrument, die Lichtquelle und die Beobachtungsvorrichtuug miteinbegriffen, ließ sich um eine vertikale Achse drehen, und es kommen besonders die beiden Lagen in Betracht, bei denen der Arm P oder der Arm Q so gut wie möglich die Richtung der Erdbewegung hatte. Es wurde nun, auf Grund der Fresnel- schen Theorie, eine Verschiebung der Interferenzstreifen bei der Rotation aus der einen jener „Hauptlagen^^ in die andere erwartet. Von dieser durch die Änderung der Fortpflanzimgszeiten bedingten Ver- schiebung — wir wollen dieselbe der Kürze halber die Maxwellsche Ver- schiebung nennen — wurde aber keine Spur gefanden, und so meinte Herr Michelson denn schließen zu dürfen, daß der Äther bei der Bewegung der Erde nicht in Ruhe bleibe, eine Folgenmg freilich, deren Richtigkeit bald in Frage gestellt wurde. Durch ein Versehen hatte nämlich Herr Michelson die nach der Theorie zu erwartende Veränderung der Phasendifferenzen auf das Doppelte des richtigen Wertes veranschlagt; verbessert man diesen Fehler, so gelangt man zu Verschiebungen, die durch Beobachtungsfehler gerade noch verdeckt werden konnten. *) Aus: Versuch einer Theorie der elektrischen und optischen Erscheinungen in bewegten Körpern (Leiden 1896) §§ 89—92. **) Michelson, American Journal of Science (8) 22 (1881) S. 120. • •_ 2 H. A. LOBENTZ In Gemeinsphafk mit Herrn Morley hat dann später Herr Michelson die üntersucliuög Vieder aufgenommen*), wobei er, zur Erhöhung der Em- pfindlichkeit, *.jedi)s Lichtbündel durch einige Spiegel hin und her reflektieren ließ. Diea^i'KunstgriflF gewährte denselben Vorteil, als wenn die Arme des früheren'Ä^r^rates beträchtlich verlängert worden wären. Die Spiegel wurden von eiijer. schweren, auf Quecksilber schwimmenden, und also leicht dreh- barjen 'Steinplatte getragen. Im ganzen hatte jetzt jedes Bündel einen Weg von/?^ Metern zu durchlaufen, und war nach der Fresnelschen Theorie, •^beim XJbergange von der einen Hauptlage zur anderen, eine Verschiebung ,\*»,ybji 0,4 der Streifendistanz zu erwarten. Nichtsdestoweniger ergaben sich *•.•'.*•• bei der Rotation nur Verschiebungen von höchstens 0,02 der Streifendistanz; *\ * dieselben dürften wohl von Beobachtungsfehlem herrühren. Darf man nun auf Grund dieses Resultates annehmen, daß der Äther an der Bewegung der Erde teilnehme und also die Stokessche Aberrations- theorie die richtige sei? Die Schwierigkeiten, auf welche diese Theorie bei der Erklärung der Aberration stößt, scheinen mir zu groß zu sein, als daß ich dieser Meinung sein könnte, und nicht vielmehr versuchen soUte, den Widerspruch zwischen der Fresnelschen Theorie und dem Michelson- schen Ergebnis zu beseitigen. In der Tat gelingt das mittelst einer Hypo- these, welche ich schon vor einiger Zeit ausgesprochen habe**), und zu der, wie ich später erfahren habe, auch Herr Fitzgerald***) gelangt ist. Worin dieselbe besteht, soll der nächste Paragraph zeigen. 2. Zur Vereinfachung wollen wir annehmen, daß man mit einem Instru- mente wie dem bei den ersten Versuchen benutzten arbeite, und daß bei der einen Hauptlage der Arm P genau in die Richtung der Erdbewegung falle. Es sei p die Geschwindigkeit dieser Bewegung und L die Länge jedes Armes, mithin 2L der Weg der Lichtstrahlen. Nach der Theorie f) bewirkt dann die Translation, daß die Zeit, in der das eine Lichtbündel an P entlang hin und zurück ireht, um länger ist als die Zeit, in der das andere Bündel seinen Weg vollendet. Eben diese Differenz würde auch bestehen, wenn, ohne daß die Translation einen •) Michelson and Morley, American Journal of Science (3) 34 (1887) S. 833; Phil. Mag. (6) 24 (1887) S. 449. **) Lorentz, Zittingsverslagen der Akad. v. Wet. te Amsterdam, 1892 — 93, S. 74. •*^ Wie Herr Fitzgerald mir freundlichst mitteilte, hat er seine Hypothese schon seit längerer Zeit in seinen Vorlesungen behandelt. In der Literatur habe ich dieselbe nur bei Herrn Lodge, in der Abhandlung „Aberration problems^^ (London Phil. Trans. 184 A (1893) S. 727) erwähnt gefunden. t) Vgl. Lorentz, Arch. nöerl. 21 (1887) S. 168—176. Der InterferenzverBuch Michelsons Einfluß hätte, der Arm P um 2V langer wäre als der Arm Q. Ähnliches gilt yon der zweiten Hauptlage. Wir sehen also, daß die von der Theorie erwarteten Phasendifferenzen auch dadurch entstehen könnten, daß bei der ßotation des Apparates bald der eine, bald der andere Arm die größere Länge hätte. Daraus folgt, daß dieselben durch entgegengesetzte Veränderungen der Dimensionen kompen- siert werden können. Nimmt man an, daß der in der Richtung der Erdbewegung liegende Arm um kürzer sei als der andere, und zugleich die Translation den Einfluß habe, der sich aus der Fresnelschen Theorie ergibt, so ist das Resultat des Michelsonschen Versuches vollständig erklärt. Man hätte sich sonach vorzustellen, daß die Bewegung eines festen Körpers, etwa eines Messingstabes, oder der bei den späteren Versuchen be- nutzten Steinplatte, durch den ruhenden Äther hindurch einen Einfluß auf die Dimensionen habe, der, je nach der Orientierung des Körpers in Bezug auf die Richtung der Bewegung, verschieden ist. Würden z. B. die der Be- wegungsrichtung parallelen Dimensionen im Verhältnis von 1 zu 1 + d und die zu derselben senkrechten im Verhältnis von 1 zu 1 + f geändert, so müßte (1) '-^-ir^ sein. Es bliebe hierbei der Wert einer der Größen d und 6 unbestimmt. Es könnte 6 = 0, d = — —^-^ sein, aber auch s =» —^ , d « 0, oder € = —y^ , und ö ^y^' 3. So befremdend die Hypothese auch auf den ersten Blick erscheinen mag, man wird dennoch zugeben müssen, daß sie gar nicht so fem liegt, so- bald man annimmt, daß auch die Molekularkräfte, ähnlich wie wir es gegen- wärtig von den elektrischen und magnetischen Kräften bestimmt behaupten können, durch den Äther vermittelt werden. Ist dem so, so wird die Trans- lation die Wirkung zwischen zwei Molekülen oder Atomen höchstwahrschein- lich in ähnlicher Weise ändern, wie die Anziehung oder Abstoßung zwischen geladenen Teilchen. Da nun die Gestalt und die Dimensionen eines festen Körpers in letzter Instanz durch die Intensität der Molekularwirkungen be- dingt werden, so kann dann auch eine Änderung der Dimensionen nicht ausbleiben. 4 H. A. LOBENTZ In theoretischer HinBicht wäre also nichts gegen die Hypothese einzn- wenden. Was die experimentelle Prüfung derselben betrifPt, so ist zunächst zu bemerken, daß die in Rede stehenden Verlängerungen und Verkürzungen außerordentlich klein sind. Es ist pyF*= 10~®, und somit würde, falls man e =. setzt, die Verkürzung des einen Durchmessers der Erde etwa 6,5 cm betragen. Die Länge eines Meterstabes aber änderte sich, wenn man ihn aus der einen Hauptlage in die andere überführte, um Y^^q Mikron. Wollte man so kleine Größen wahrnehmen, so könnte man sich wohl nur von einer Interferenzmethode Erfolg versprechen. Man hätte also mit zwei zueinander senkrechten Sieben zu arbeiten und von zwei miteinander interferierenden Lichtbündeln das eine an dem ersten und das andere an dem zweiten Stabe entlang hin- und hergehen zu lassen. Hierdurch gelangte man aber wieder zu dem Michelsonschen Versuch und würde bei der Rotation gar keine Verschiebung der Streifen wahrnehmen. Umgekehrt wie wir es früher aus- drückten, könnte man jetzt sagen, daß die aus den Längenänderungen hervorgehende Verschiebung durch die Maxwellsche Verschiebung kom- pensiert werde. 4. Es ist beachtenswert, daß man gerade zu den oben vorausgesetzten Veränderungen. der Dimensionen geführt wird, wenn man erstens y ohne die Molekularbewegung zu berücksichtigen, annimmt, daß in einem sich selbst überlassenen festen Körper die auf ein beliebiges Molekül wirkenden Kräfte, Anziehungen oder Abstoßungen, einander das Gleichgewicht halten, und zweitens — wozu freilich kein Grund Erliegt — auf diese Molekularkräfte das Gesetz anwendet, das wir früher*) für die elektrostatischen Wirkungen abgeleitet haben. Versteht man nämlich jetzt unter S^ und S^ nicht, wie an jener Stelle, zwei Systeme geladener Teilchen, sondern zwei Systeme von Molekülen — das zweite ruhend und das erste mit der Geschwindigkeit p in der Richtung der a;- Achse — , zwischen deren Dimensionen die früher an- gegebene Beziehung besteht, und nimmt man an, daß in beiden Systemen die a:-Komponenten der Kräfte dieselben seien, die y- und xr- Komponenten sich aber durch den Faktor l/l — ^, voneinander unterscheiden, so ist klar, daß sich die Kräfte in S^ aufheben werden, sobald dies in S^ geschieht. Ist demnach S^ der Gleichgewichtszustand eines ruhenden festen Kör- pers, so haben in /S^ die Moleküle gerade diejenigen Lagen, in denen sie unter dem Einflüsse der Translation verharren können. Die Verschiebung würde diese Lagerung natürlich von selbst herbeiführen und also nach den an der genannten Stelle gegebenen Formeln eine Verkürzung in der Be- *) Nämlich in § 23 des Buches: Versuch einer Theorie der elektrischen und optischen Erscheiuungen in bewegten Körpern. Der Interferenzversiich Michelsons 5 wegongsrichtung im Verhältnis von 1 zu 1/ 1 — ^ bewirken. Dieses führt zu den Werten was mit (1) übereinstimmt. In Wirklichkeit befinden sich die Moleküle eines Körpers nicht in Ruhe, sondern es besteht in jedem ^^Gleichgewichtszustände'' eine stationäre Be- wegung. Inwiefern dieser Umstand bei der betrachteten Erscheinung Ton EinfluB ist, möge dahingestellt bleiben; jedenfalls lassen die Versuche der Herren Michelson und Morley wegen der unvermeidlichen Beobachtungs- fehler einen ziemlich weiten Spielraum für die Werte von d und s. H. A. LORENTZ Elektromagnetische Erscheinungen in einem System, das sich mit beliebiger, die des Lichtes nicht erreichender Ge- schwindigkeit bewegt. Von H. A. LoRENTz.*) 1. Wenn man durch theoretische Betrachtungen den Einfluß zu bestimmen versucht, den eine Translation, wie sie z. B. alle Systeme durch die jähr- liche Erdbewegung erfahren, auf elektrische und optische Erscheinungen ausüben könnte, so gelangt man in verhältnismäßig einfacher Weise zum Ziel, solange nur solche Größen betrachtet zu werden brauchen, die propor- tional der ersten Potenz des Verhältnisses der Translationsgeschwindigkeit w zur Lichtgeschwindigkeit c sind. Fälle, in denen Größen von zweiter Ordnung, also von der Ordnung -y, wahrnehmbar sein könnten, bieten mehr Schwierigkeiten. Das erste Beispiel dieser Art ist Mi^elsona wohlbe- kannter Interferenz versuch, dessen negatives Ergebnis Fitzgerald und mich zu dem Schlüsse fühi-te, daß die Dimensionen fester Körper sich infolge ihrer Bewegung durch den Äther ein wenig ändern. Einige weitere Versuche, in denen eine Wirkung zweiter Ordnung ge- sucht wurde, sind kürzlich veröflFeutlicht worden. Einmal haben Rayleigh**) und Brace***) untersucht, ob die Erdbewegung einen Körper doppelbrechend macht; man könnte dies zunächst erwarten, wenn man die eben erwähnte Veränderung der Dimensionen annimmt. Beide Physiker kommen jedoch zu einem negativen Ergebnis. Dann haben sich Trouton und Noble f) bemüht, ein Drehmoment zu entdecken, das auf einen geladenen Kondensator wirkt, dessen Platten einen Winkel mit der Translationsrichtung bilden. Die Elektronentheorie fordert unzweifelhaft die Existenz eines solchen Drehmoments, wenn man sie nicht durch eine neue Hypothese verändert. Um das einzusehen, genügt es, einen *) Deutsche Übersetzung der in englischer Sprache erschienenen Abhandlung: Electromagnetic phenomena in a system moving with any velocity smaller than that of ligbt. (Proceedings Acad. Sc. Amsterdam 6 (1904) S. 809.) ••) Rayleigh, Phil. Mag. (6) 4 (1902) S. 678. *) Brace, Phil. Mag. (6) 7 (1904) S. 817. t) Trouton und Noble, London R. Soc. Trans. A 202 (1903) S. 165. Elektromagnet. Erscheinuiigen in einem System mit beliebiger Geschwindigkeit 7 Kondensator mit Äther als Dielektrikum zu betrachten. Es läßt sich zeigen, daß in jedem elektrostatischen mit einer Geschwindigkeit tt)*) bewegten System eine gewisse ^^elektromagnetische Bewegungsgröße^^ besteht. Wenn wir diese nach Größe imd Richtung durch einen Vektor @ bezeichnen, so bestimmt sich das erwähnte Drehmoment durch das Vektorprodukt**) (1) [@ . tt)]. Wenn nun die jßr- Achse senkrecht zu den Kondensatorplatten gewählt wird, die Geschwindigkeit ft) eine beliebige Richtung hat, imd wenn TJ die in üb- licher Weise berechnete Energie des Kondensators ist, dann sind die Kom- ponenten von @, bis zur 1. Ordnung genau, durch die folgenden Formeln gegeben***): Setzen wir diese Werte in (1) ein, so erhalten wir für die Komponenten des Drehmoments bis zu Größen zweiter Ordnung genau: Diese Ausdrücke zeigen, daß die Achse des Drehmoments in der Ebene der Platten, senkrecht zur Translation liegt. Wenn a der Winkel zwischen der Geschwindigkeit und der Normalen zu den Platten ist, so wird das Dreh- moment -iw^ sin2a\ es sucht den Kondensator so zu drehen, daß die Platten sich parallel zur Erdbewegung einstellen. Beim Apparat von Trouton und Noble saß der Kondensator am Bal- ken einer Torsionswage von genügender Empfindlichkeit, um durch ein Drehmoment der erwähnten Größenordnung abgelenkt zu werden. Es konnte aber nichts derartiges beobachtet werden. 2. Die besprochenen Versuche sind nicht der einzige Grund, weshalb eine neue Behandlung der mit der Bewegung der Erde verbundenen Probleme wünschenswert ist. Poincaref) hat gegen die bisherige Theorie der op- tischen und elektrischen Erscheinungen bewegter Körper eingewandt, daß zur Erklärung des negativen Ergebnisses Michelsons eine neue Hypothese eingeführt werden mußte, und daß dies jedesmal notwendig werden könne, ^ Ein Vektor wird durch einen deutschen Buchstaben bezeichnet, seine Größe durch den entsprechenden lateinischen. **) Vgl. meinen Artikel: „Weiterbildung der Maiwellschen Theorie. Elektronen- theorie^^ in der Mathematischen Encyklopädie V 14, § 21a. (Dieser Artikel wird zitiert mit M. E.) •^) M. E. § 66 c. t) Poincar^, Rapports du Congr^s de physique de 1900, Paris, 1 S. 22, 23. 8 H. A. LORENTZ wenn neue Tatsachen bekannt würden. Sicherlich haftet diesem Aufstellen von besonderen Hypothesen für jedes neue Yersuchsergebnis etwas Künst- Uches an. Befriedigender wäre es, konnte man mit Hilfe gewisser grund- legender Annahmen zeigen, daß 4le elektromagnetische Vorgange s^g, d. h. ohne irgendwelche Vernachlässigung yon Gliedern höherer Ordnung, unabhängig yon der Bewegung des Systems sind. Vor einigen Jahren habe ich schon yersucht, eine derartige Theorie''^) aufznstellen. Jetzt glaube ich den Gegenstand mit besserem Erfolg behandeln zu können. Die Geschwin- digkeit wird nur der einen Beschränkung imterworfen, daß sie kleiner als die des Lichtes sei. 3. Ich gehe aus yon den Grundgleichungen der Elektronentheorie.**) Sei b die dielektrische Verschiebung im Äther, ^ die magnetische Kraft, q die Volumendichtigkeit der Ladung eines Elektrons, t) die Geschwindigkeit eines Punktes eines solchen Teilchens und f die elektrische Kraft, d. h. die auf die Einheitsladnng gerechnete Kraft, die der Äther auf ein Volumenelement eines Elektrons aasübt. Wenn wir ein festes Koordinatensystem benutzen, so ist dir b =-= (», div ^ — 0, rot ^ = ^ (b + Qti), (2) rotb — ^, Ich nehme nun an, daß das System sich als ganzes in der Richtung der 0?- Achse mit einer konstanten Geschwindigkeit tv bewegt, und bezeichne mit u die Geschwindigkeit, die außerdem eiu Punkt eines Elektrons haben möge; dann ist Wenn gleichzeitig die Gleichungen (2) auf Achsen bezogen werden, die sich mit dem System bewegen, so wird: diy b = (>, diy 1^ = 0, dz dx c \ct Gxj y ' (; ^ »' ? X - iy = -c (ät - ^ ai) ^' + T ^ "• ' •) Lorentz, ZittiogBverBlag Akad.Wet. 7 (1899) S.507; AmBterdam Proc. 1898—99 S. 427. ••) M. E. § 2. Elektromagnet. EiBcheinongen in einem System mit beliebiger Geschwindigkeit 9 dy dz c \dt *" dx) 9*' dt dx c \jit ^ dx) 9»' dx dy c \dt dx) ^" * f. - 1>. + T {^A - ^X), f, - b, - -f «'^. + T («'^« - «'W, f, - 1>. + y w^y + '- (u,^, - u^y . 4. Wir transformieren diese Formeln durch Einfülirung neuer Veränder- licher. Wir setzen (3) ^'^* und verstehen unter { eine weitere Zahlengroße; deren Wert später ange- geben werden solL Als unabhängige Veränderliche nehme ich (4) x' == Tclxj y' = ly, z — Zxr, (5) i' ^-^t-U^x, und definiere zwei neue Vektoren b' und \j durch die Formeln i>* - TT^^x; l>y =" 7« (^ - T^')' ^' "■ "F (^' + T^y)' Dafär können wir wegen (3) auch schreiben: |b,-z»b;, b,-ÄP(b; + f^;), b. - äp (b; - -^- ^;) , (6) { Der Koeffizient l soll eine Funktion Ton w sein, die für u; » den Wert 1 annimmt und für kleine Werte von w sich nur um Größen Yon der zweiten Ordnung yon 1 unterscheidet. Die Veranderliche t' heiße „Ortszeit* '; in der Tat wird sie für Ä =- 1, 2 *» 1 identisch mit dem, was ich früher darunter verstand. Setzen wir schließlich: (8) *%-«/, *U, = U' /:u, = u/, 10 H. A. LOBKMTZ und deuten die letzteren Größen als Komponenten eines neuen Vektors u', so nehmen die Gleichungen die folgende Form an: (9) [diT'b' = (l-^^^')p', diyl' = 0, [rot' b' = - -^ % , c et (10) ff V . f. = T V + T 4-(«x'V- V^.') - T 5 ««'^' ifc c' Die Symbole div' und rot' in (9) entsprechen div und rot in (2), nur müssen die Differentiationen nach Xj y, z durch die entsprechenden nach x\ y\ z' er- setzt werden.*) 5. Die Gleichungen (9) führen zu dem Schluß; daß die Vektoren b' und 1^' sich durch ein skalares Potential 9' und ein yektorielles Potential a' dar- stellen lassen. Diese Potentiale genügen den Gleichungen**) (11) (12) ., , 1 d*fp ... 1 a»a' 1 . , *) Man wird bemerken, daß ich in dieser Abhandlung die Transfonnations- gleichnngen der Einsteinschen Relativitätstheorie nicht ganz erreicht habe. Weder die Gleichung (7) noch die Formeln (8) haben die Ton Einstein angegebene Grestalt, und infolgedessen ist es mir nicht gelungen, das Glied 1- in der ersten Glei- chung (9) zum Verschwinden zu bringen und so die Formeln (9) genau auf die für ein ruhendes System geltende Gestalt zu bringen. Mit diesem Umstände hängt das Unbeholfene mancher weiteren Betrachtungen in dieser Arbeit zusammen. Es ist das Verdienst Einsteins, das Belativitätsprinzip zuerst als allgemeines, streng und genau geltendes Gesetz ausgesprochen zu haben. Ich füge noch die Bemerkung hinzu, daß Voigt bereits im Jahre 1887 (Göt- tinger Nachrichten S. 41) in einer Arbeit „Über das Dopplersche Prinzip*^ auf Glei- chungen von der Form A^ - ^ IT« = ^ eine Transformation angewandt hat^ welche der in den Gleichungen (4) und (6) mei- ner Arbeit enthaltenen äquivalent ist. (Anmerkung von H. A. Losintz, 1912.) •^ M. E. §§ 4 und 10. Elektromagnet. Eracheinnngen in einem System mit beliebiger Greschwindigkeit H Die Vektoren b' und f)' lassen sich folgendermaßen durch sie ausdrücken: (13) b' = - i- ff; - grad' 9 + y grad'a;, (14) ^' = rot'a'. Das Symbol A' ist eine Abkürzung ftlr g-r, + g-,, + 0-7,- und grad'9' be- zeichnet einen Vektor, dessen Komponenten 5^> ö^m g^' sind; der Ausdruck grad'a,' hat eine entsprechende Bedeutung. Um die Lösungen von (11) und (12) in einfacher Form zu erhalten, nehmen wir Xy y', z' als Koordinaten eines Punktes P' in einem Raum S' und ordnen diesem Punkte für jeden Wert i' die Werte q\ u', 9)', a' zu, die zu dem entsprechenden Punkte Pix^yy z) des elektromi^etischen Systems gehören. Für einen bestimmten Wert t' der vierten unabhängigen Veränder- lichen sind die Potentiale 9' und q' in dem Punkt P des Systems oder in dem entsprechenden Punkt P' im Räume S' durch die Gleichungen ge- geben*): (15) ,.• - -i/-Is;J- ds; («) •■ - ^ßf ] dS'. Hierin ist dS' ein Raumelement in S', r seine Entfernung von P', und die Klammem bezeichnen die Ghröße q und den Vektor QVi\ so wie sie in dem Element dS' ftir den Wert t' der vierten unabhängigen Veränderlichen erscheinen. Statt (15) und (16) können wir auch unter Berücksichtigung von (4) und (7) schreiben: (17) ^' = J-/-^ äS, '^) dS. (w) "■ - iW ■¥' Dabei sind die Integrationen über das elektromagnetische System selbst zu erstrecken. Es ist wohl zu beachten, daß in diesen Gleichungen r' nicht die Entfernung zwischen dem Element dS und dem Punkt {x, y, z) bedeutet, für den die Berechnung ausgeführt werden soll. Ist das Element durch den Punkt {x^yy^, e^ charakterisiert, so müssen wir setzen r'= ?y*»(a;-xj»+ (y-yO« + {e-z,)\ *) M. E. §§ 6 und 10. (19) 12 H. A. LORENTZ Wenn wir ^> und a' für den Zeitpunkt bestimmen wollen, für den die Ortszeit in P gleich t' ist, so müssen wir q und (>u' den Wert geben, den sie im Element dS bei der Ortszeit t' des Elementes besitzen. c 6. Es genügt für unseren Zweck zwei Sonderfälle zu betrachten, zunächst den eines elektrostatischen Systemes, d. h. eines Systemes, in dem die Trans- lation von der Geschwindigkeit w die einzige Bewegung ist. In diesem Falle wird u'«=0, und- folglich wegen (12) a'=»0. Femer ist 9?'. von t' unab- hängig, sodaß sich die Gleichungen (11), (13) und (14) vereinfachen zu Lif — e, 1 b'=-gradV', r-0. Nachdem wir durch diese Gleichungen den Vektor b' bestimmt haben, kennen wir auch die elektrische Kraft, die auf Elektronen des Systems wirkt. Wegen u'=» nehmen die Gleichungen (10) für sie die Gestalt an (20) f, = ?»b;, f, = yb;, f.-^b;. Das Ergebnis läßt sich in einfache Form bringen, wenn wir das bewegte System ^, um das es sich handelt, mit einem ruhenden System E' ver- gleichen. Dieses soll aus E dadurch hervorgehen, daß wir die Strecken in der Richtung der o;- Achse mit Jil und die Strecken in der Richtung der y- und jer-Achse mit l multiplizieren. Wir wählen für diese Deformation passend das Symbol (/:Z, Z, X). In diesem neuen System, das sich in dem obenerwähnten Räume S' befinden möge, geben wir der Dichte den durch (7) bestimmten Wert q\ sodaß die Ladungen entsprechender Yolumenele- mente und entsprechender Elektronen in H und 21' gleich sind. Wir er- halten dann die auf die Elektronen des bewegten Systems 21 wirkenden Kräfte, wenn wir zunächst die entsprechenden Kräfte in 21' bestimmen und dann ihre Komponenten in der x- Richtung mit l^ und die dazu senkrechten Komponenten mit -j- multiplizieren. Wir drücken dies passend durch die Gleichung aus (21) S(-S) - 0*, y, t) 5(-S'). Man bemerke außerdem, daß mit Hilfe des aus (19) berechneten Wertes b' sich die elektromagnetische Bewegungsgröße im bewegten System, oder vielmehr ihre Komponente in der Bewegungsrichtung, leicht ausdrücken läßt. In der Tat zeigt die Gleichung daß Elektromagnet Erscheinungen in einem System mit beliebiger Geschwindigkeit 13 Folglich wegen (6), da ^' = 0: (22) ®, = ^^ß\" + b;«) ds = *jr/(b;' + b;») ds'. 7. Beim zweiten Sonderfall betrachten wii* ein Teilchen mit einem elek- trischen Moment, also einen kleinen Raum S mit der Gesamtladung iQdS =» 0, aber solcher Dichteverteilung, daß die Integrale j QxdS, (gyäS, j gzdS von Null verschiedene Werte haben. Es seien x, y, z die Koordinaten in bezug auf einen festen Punkt A des Teilchens — er heiße der Mittelpunkt — , und das elektrische Moment sei definiert als ein Vektor p mit den Komponenten (23) p, = />;rd5, p.^fQydS, p.^fgzdS, Dann ist (24) '-^f^ßnJS, ^-^^^fgn^dS, ^^'^ßn.dS. Werden x, y, z als unendlich klein betrachtet, so werden natürlich auch U,, Uy, u, unendlich klein. Wir vernachlässigen Quadrate und Produkte dieser sechs Größen. Wir benutzen nun die Gleichung (17) zur Bestimmung des skalaren Potentiales q)' für einen äußeren Punkt P (x, y, e) in endlicher Entfernung von dem polarisierten Teilchen, für den Augenblick, in dem die Ortszeit die- ses Punktes einen bestimmten Wert t' hat. Dabei geben wir dem Symbol [^], das sich in (17) auf den Zeitpunkt bezieht, für den die Ortszeit in dS gleich t' ist, eine etwas andere Bedeutung. Wir bezeichnen mit r^ den Wert von r' für den Mittelpunkt A und verstehen dann unter [()] den Wert der Dichte am Punkte {x, y, z) zu derjenigen Zeit ^q, bei der die Ortszeit von A gleich f ist. Man erkennt aus (5), daß dieser Zeitpunkt früher ist als derjenige, auf den sich der Zähler in (17) bezieht, und zwar um c' / c c* ^ i c \ dx *^ dy dz/ Zeiteinheiten. In diesem letzten Ausdruck können wir für die Diflferential- quotienten ihre Werte im Punkte A einsetzen. In (17) haben wir nun [p] durch (26) M+*.ia,[|] + *i(.,|L- + i,|^: + «|f)[|f] ZU ersetzen, dabei bezieht sich \-^\ wieder auf die Zeit t^. Wenn nun der Wert t\ für den die Berechnungen ausgeführt werden sollen, gewählt ist, Math.Monogr. S: Einitain, Lorents, Minkowski: BeUtÜTltAtspriiLsip. 2 14 H. A. LORKMTZ wird diese Zeit t^ eine Funktion der Koordinaten x, y, z des Aafpnnktes P sein. Der Wert [(»] hängt infolgedessen Ton diesen Koordinaten ab^ und man sieht leicht, daß 'dx^ i c dx Lad' ^®^: Deshalb wird (25) gleich w+*'?-[|?]-(4^^+>'f+4?)- Ferner muß, wenn wir weiterhin mit r' die oben r^ genannte Größe be- zeichnen, der Faktor — durch 7 - *Ä (7) - ^Ä (f) - *Ä- (?) ersetzt werden, sodaß schließlich im Integral (17) das Element dS mit r' "^'^ c* / La*J ax r" ay r' az " r' multipliziert wird. Das ist einfa -^ ^^^ w« = o- i^Ä^- Folglich verhält sich das Elektron bei Vorgängen, bei welchen eine Beschleimigung in der Bewegungsrichtimg auftritt, als ob es die Masse m^ hätte, bei Beschleunigung in einer zur Bewegung senkrechten Richtung, als ob es die Masse m^ besäße. Diese Größen m^ und m^ werden deshalb pas- send die „longitudinale" und „transversale" elektromagnetische Masse ge- nannt. Ich nehme an, daß außerdem Tceine ,jWirMiche^^ oder „materielle^* Masse lesteht Da k und l sich von der Einheit um Größen der Ordnung -y unter- scheiden, finden wir für kleine Geschwindigkeiten Das ist die Masse, mit der man zu rechnen hat, wenn in einem System ohne Translation die Elektronen kleine Schwingungen ausführen. Wenn dagegen ein Körper, der sich mit der Geschwindigkeit w in der x-Richtung fortbe- wegt, Sitz derartiger Elektronenschwingungen ist, müssen wir mit der durch *) Abraham, Ann. Phys. 10 (1903) S. 105. lg H. A« LORBNTZ (30) gegebenen Masse m^ rechnen, sobald wir die Schwingungen parallel zur a?- Achse betrachten; dagegen kommt für Schwingungen parallel zu OF oder OZ die Masse m^ in Betracht Also kurz (31) m(r) - (^Jf >, kl, kl) miS'), wenn das Zeichen 2J das bewegte, das Zeichen 2]' das ruhende System anzeigt. 10. Wir können jetzt dazu übergehen, den Einfluß der Erdbewegung auf optische Erscheinungen in einem System durchsichtiger Körper zu unter- suchen. Hierbei richten wir unsere Aufmerksamkeit auf die veränderlichen elektrischen Momente in den Teilchen oder „Atomen" des Systems. Wir können auf diese Momente das in § 7 Gesagte anwenden. Der Einfachheit halber nehmen wir an, daß in jedem Teilchen die Ladung in einer gewissen Anzahl getrennter Elektronen konzentriert ist. Femer sollen die „elastischen*' Kräfte, die an einem dieser Elektronen angreifen und zusammen mit den elektrischen Kräften seine Bewegung bestimmen, ihren Ausgangspunkt inner- halb der Begrenzung desselben Atomes haben. Ich werde zeigen, daß man jedem in einem ruhenden System möglichen Bewegungszustand einen entsprechenden, gleichfalls möglichen Bewegungs- zustand in dem mit Translation begabten System zuordnen kann, wobei die Art der Zuordnung sich in folgender Weise charakterisieren läßt. a) Seien A^, A^', A^y usw. die Mittelpunkte der Teilchen im System 2J' ohne Translation. Wir vernachlässigen Molekularbewegungen und neh- men diese Punkte als ruhend an. Das Punktsystem A^yA^yA^^ usw., das von den Mittelpunkten der Teilchen im bewegten System H gebildet wird, erhält man aus A^^ A^^ A^\ usw. mit Hilfe einer Deformation hrr, -r-, -^ )• Entsprechend dem in § 8 Gesagten nehmen die Mittelpunkte von selbst diese Lagen A^, A^, A^j usw. ein, wenn sie ursprünglich, vor der Translation, die Lagen A^, A^, A^^ usw. hatten. Wir können uns vorstellen, daß jeder Punkt P' im Räume des Systems 2' durch die erwähnte Deformation in einen bestimmten Punkt P von 2 übergeführt wird. Für zwei entsprechende PunkteP'undP definieren wir ent- sprechende Zeitpunkte; der erste soll zu P', der zweite zu P gehören. Wir setzen nämlich fest, daß die wahre Zeit im ersten Zeitpunkt gleich der aus (5) für den Punkt P bestimmten Ortszeit im zweiten Zeitpunkt sein soll. Unter entsprechenden Zeiten für zwei entsprechende Teilclien verstehen wir sich entsprechende Zeiten für die Miüelpunlde A' und A dieser Teilchen. b) Was den inneren Zustand der Atome betriflFt, so nehmen wir an, daß die Konfiguration eines Teilchens Am 2^ zu einer gewissen Zeit mit Hilfe der Deformation f^ry, , , y) aus der Konfiguration des entsprechenden Teilchens Elektromagnet. Erscheinungen in einem System mit beliebiger Geschwindigkeit 19 in 2J' für den entsprechenden Zeitpunkt erhalten werde. Soweit diese An- nahme sich auf die Form der Elektronen selbst bezieht^ ist sie in der ersten Hypothese von § 8 enthalten. Wenn wir von einem tatsächlich bestehenden Zustand im System 2J' ausgehen, haben wir offenbar durch die Festsetzungen a) und b) einen Zu- stand des bewegten Systems U vollständig bestimmt. Doch bleibt die Frage offen, ob dieser Zustand auch ein möglicher ist. um das zu entscheiden, bemerken wir zunächst, daß die elektrischen Momente, die nach unserer Annahme im bewegten System auftreten und die wir mit p bezeichnen wollen, bestimmte Funktionen der Koordinaten X, y, z der Mittelpunkte A der Teilchen (oder, wie wir sagen wollen, der Koordinaten der Teilchen) und der Zeit t sind. Die GleichuugeD, welche die Beziehungen zwischen p einerseits und x, y, z, t andererseits ausdrücken, können durch andere Gleichungen ersetzt werden, die den aus (26) be- stimmten Vektor p' und die durch (4) und (5) definierten Größen x\y\z\t' enthalten. Wenn nun in einem Teilchen A des bewegten Systems, dessen Koordi- naten X, y, z sind, zur Zeit t oder zur Ortszeit t' ein elektrisches Moment p besteht, so wird nach den Annahmen a) und b) in dem anderen System in einem Teilchen mit den Koordinaten x\ y\ z' und zur wahren Zeit t' ein Mo- ment bestehen, das gerade durch den durch (26) bestimmten Vektor p' vor- gestellt wird. Man sieht in dieser Weise, daß die Gleichungen zwischen p', x\ y'j z\ t' für beide Systeme dieselben sind, mit dem einzigen Unter- schied, daß für das System H' ohne Translation diese Zeichen das Moment, die Koordinaten und die wahre Zeit bedeuten, während sie für das bewegte System eine andere Bedeutung haben. Denn hier sind p', rc', y', jgr', ^' mit dem Moment p, den Koordinaten x, y, z und der allgemeinen Zeit t durch die Beziehungen (26), (4) und (5) verbunden. Es ist bereits gesagt, daß Gleichung (27) auf beide Systeme Anwendung findet. Der Vektor b' ist folglich in E' und 27 der gleiche unter der Voraus- setzung, daß wir immer entsprechende Stellen und Zeiten vergleichen. Doch hat der Vektor nicht in beiden Fällen dieselbe Bedeutung. In H' stellt er die elektrische Kraft dar, in H hängt er mit dieser Krafb durch (20) zu- sammen. Wir können deshalb schließen, daß die in 27 und 27' auf entspre- chende Teilchen zu entsprechenden Zeiten wirkenden elektrischen Kräfte miteinander durch (21) verknüpft sind. Ziehen wir unsere Annahme b) in Verbindung mit der zweiten Hypothese von § 8 heran, so gilt die gleiche Beziehung zwischen den „elastischen" Kräften. Die Gleichung (21) kann folglich auch als Ausdruck der Beziehung zwischen den an entsprechenden Elektronen zu entsprechenden Zeiten wirkenden Gesamtkräften angesehen werden. 20 * H. A. LOBUITB Offenbar ist nun der im bewegten System vorausgesetzte Zustand dann wirklich möglich, wenn in 2 und 2' die Produkte der Masse tn und der Be- schleunigung *eines Elektrons zueinander in derselben Beziehung stehen, wie die Kräfte, d. h. wenn (32) tn\{2:) ^ (l^ ^ , ^ mi{2'). Nun gilt für die Beschleunigangen (33) i(^) = (l,l,/.)i(2:'), was sich aus (4) und (5) ableiten läßt. Verbinden wir dieses Ergebnis mit (32); so erhalten wir fQr die Massen Ein Vergleich mit (31) zeigt, daß für beliebige Werte von l diese Bedingung immer befriedigt ist hinsichtlich der Massen, mit welchen wir bei den zu der Translationsrichtung senkrechten Schwingungen zu rechnen haben. Wir haben also l nur der einzigen Bedingung zu unterwerfen: d{klw) Wegen (3) ist aber sodaß w dw ' , - = 0, Z = konst. dw ' Der Wert der Konstanten muß 1 sein, weil wir schon wissen, daß für t umsomehr als in jedem Fall s nur aus zwei Messungen bestimmt worden ist. Der Koeffizient ist so gewählt worden, daß für die zwei Beobach- tungen, die in Tabelle III an erster und vorletzter Stelle und in Tabelle IV an erster und letzter Stelle stehen, die Werte von ig' denen von Ä*, propor- tional werden. Ich betrachte jetzt zwei einer späteren Veröffentlichung Kaufmanns*) entnommene Meßreihen, die von Runge**) nach der Methode der kleinsten Quadrate durchgerechnet worden sind. Dabei sind die Koeffizienten k^ und Tc^ so bestimmt worden, daß die für jedes beobachtete ^ aus Kaufmanns Glei- chungen (34) berechneten Werte von i^ möglichst gut mit den beobachteten Werten von ly übereinstimmen. Ich habe aus derselben Bedingung und gleichfalls nach der Methode der kleinsten Quadrate die Koeffizienten a und h der Gleichung bestimmt, die aus meinen Gleichungen (36) und (37) abgeleitet werden kann. Wenn ich a und i kenne, finde ich ß für jede Messung mit Hilfe der Be- ziehung Für zwei Platten, auf denen Kaufmann die elektrische und magnetische Ablenkung gemessen hat, sind die Ergebnisse die folgenden, wobei die Ab- weichungen in Zentimetern angegeben sind. Platte Nr. 15. a - 0,06489, h - 0,3039. n ß i ^ berechnet berechnet berechnet Ton 1 beobachtet T* Diff. T Diff. 1 Ton R. von L. 0,0400 R. L. 0,1495 0,0388 0,0404 — 16 -12 0,987 0,951 0,199 0,0648 0,0650 — 2 0,0652 — 4 0,964 0,918 0,2476 0,0716 0,0710 + 6 0,0716 + 1 0,980 0,881 0,296 0,0896 0,0887 + 9 0,0896 + 1 0,889 0,842 0,3436 0,1080 0,1081 — 1 0,1090 — 10 0,847 0,808 0,891 0,1290 0,1297 — 7 0,1805 — 15 0,804 0,768 0,437 0,1624 0,1627 1 — 8 0,1632 — 8 0,768 0,727 0,4826 0,1788 0,1777 ' +11 0,1777 + 11 0,724 0,692 0,6266 0,2033 0,2039 — 6 0,2088 1 0,688 0,660 ' 1 •) Kaufmann, Gott. Nachr., Math.-phys. Klasse 1908 S. 90. •*) Runge, ebendort S. 326. 26 H. A. LoBENTz. Elektromagnet. Erscheiimngen L e. System mit bei. GeBchwindigkeit Platte Nr. 19. a = 0,05867, 6 = = 0,2591 • i 1 n ß beobachtet berechnet von R. DiflF. berechnet von L. Diff. berechnet von R. L. 0,1495 0,199 0,247 0,296 0,3435 0,391 0,487 0,4825 0,5265 0,0404 0,0629 0,0678 0,0834 0,1019 0,1219 0,1429 0,1660 0,1916 0,0388 0,0627 0,0675 0,0842 0,1022 0,1222 0,1434 0,1665 0,1906 + 16 + 2 + 3 — 8 — 3 — 3 — 6 — 5 + 10 0,0379 0,0522 0,0674 0,0844 0,1026 0,1226 0,1437 0,1664 0,1902 + 25 + 7 + 4 10 — 7 — 7 — 8 — 4 + 14 0,990 0,969 0,939 0,902 0,862 0,822 0,782 0,744 0,709 0,954 0,923 0,888 0,849 0,811 0,773 0,736 0,702 0,671 Ich habe keine Zeit gefunden, die übrigen Tabellen in Kaufmanns Arbeit durchzurechnen. Da sie, ebenso wie die Tabelle für Platte 15, mit einer ziemlich großen negativen Differenz zwischen den aus den Beobach- tungen abgeleiteten und den von Runge berechneten Werten rj anfangen, können wir eine genügende Übereinstimmung mit meinen Formeln erwarten. A. Einstein. Zur Elektrodynamik bewegter Körper 27 Zur Elektrodynamik bewegter Köi-per. Von A. Einstein.*) Daß die Elektrodynamik Maxwells — wie dieselbe gegenwärtig auf- gefaßt zu werden pflegt — in ihrer Anwendung auf bewegte Körper zu Asymmetrien führt, welche den Phänomenen nicht anzuhaften scheinen, ist bekannt. Man denke z. B. an die elektrodynamische Wechselwirkung zwischen einem Magneten und einem Leiter. Das beobachtbare Phänomen hängt hier nur ab von der Relativbewegung von Leiter und Magnet, während nach der üblichen Auffassung die beiden Fälle, daß der eine oder der andere dieser Körper der bewegte sei, streng voneinander zu trennen sind. Bewegt sich nämlich der Magnet und ruht der Leiter, so entsteht in der Umgebung des Magneten ein elektrisches Feld von gewissem Energiewerte, welches an den Orten^ wo sich Teile des Leiters befinden, einen Strom erzeugt. Ruht aber der Magnet und bewegt sich der Leiter, so entsteht in der Umgebung des Magneten kein elektrisches Feld, dagegen im Leiter eine elektromotorische Kraft, welcher an sich keine Energie entspricht, die aber — Gleichheit der Belativbewegung bei den beiden ins Auge gefaßten Fällen vorausgesetzt — zu elektrischen Strömen von derselben Größe und demselben Verlaufe Ver- anlassung gibt, wie im ersten Falle die elektrischen Kräfte. « Beispiele ähnlicher Art, sowie die mißlungenen Versuche, eine Bewegung der Erde relativ zum „Lichtmedium" zu konstatieren, führen zu der Ver- mutung, daß dem Begriffe der absoluten Buhe nicht nur in der Mechanik, sondern auch in der Elektrodynamik keine Eigenschaften der ^Erscheinungen entsprechen^ sondern daß vielmehr für alle Koordinatensysteme, für welche die mechanischen Gleichungen gelten, auch die gleichen elektrodynamischen und optischen Gesetze gelten, wie dies für die Größen erster Ordnung**) be- reits erwiesen ist. Wir wollen diese Vermutung (deren Inhalt im folgenden ,^rinzip der Relativität" genannt werden wird) zur Voraussetzung erheben und außerdem die mit ihm nur scheinbar unverträgliche Voraussetzung ein- führen, daß sich das Licht im leeren Räume stets mit einer bestimmten, vom Bewegungszustande des emittierenden Körpers unabhängigen Geschwindig- keit V fortpflanze. Diese beiden Voraussetzungen genügen, um zu einer ein- fachen und widerspruchsfreien Elektrodynamik bewegter Körper zu gelangen unter Zugrundelegung der Maxwellschen Theorie für ruhende Körper. Die *) Abgedruckt aus Ann. d. Phys. 17 (1906). ••) Die im Vorhergehenden abgedruckte Arbeit von H. A. Lorentz war dem Ver^ fasser noch nicht bekannt. 28 ^' EiXSTEIN Einfährung eines ^^Lichtäthers^^ wird sich insofern als überflüssig erweisen, als nach der zu entwickelnden Auffassung weder ein mit besonderen Eigen- schaften ausgestatteter ^^absolut ruhender Baum'' eingeführt , noch einem Punkte des leeren Raumes, in welchem elektromagnetische Prozesse statt- finden, ein Geschwindigkeitsvektor zugeordnet wird. Die zu entwickelnde Theorie stützt sich — wie jede andere Elektro- dynamik - auf die Kinematik des starren Körpers, da die Aussagen einer jeden Theorie Beziehungen zwischen starren Körpern (Koordinatensystemen), Uhren und elektromagnetischen Prozessen betreffen. Die nicht genügende Berücksichtigung dieses Umstandes ist die Wurzel der Schwierigkeiten, mit denen die Elektrodynamik bewegter Körper gegenwärtig zu kämpfen hat. I. Kinematischer Teil. §1. Definition der Gleichzeitigkeit. Es liege ein Koordinatensystem vor, in welchem die Newtonschen mechanischen Gleichungen gelten.*) Wir nennen dies Koordinatensystem zur sprachlichen Unterscheidung von später einzuführenden Koordinaten Systemen und zur Präzisierung der Vorstellung das „ruhende System". Ruht ein materieller Punkt relativ zu diesem Koordinatensystem, so kann seine Lage relativ zu letzterem durch starre Maßstäbe unter Benutzung der Methoden der euklidischen Geometrie bestimmt und in kartesischen Ko- ordinaten ausgedrückt werden. Wollen wir die Beilegung eines materiellen Punktes beschreiben, so geben wir die Werte seiner Koordinaten in Funktion der Zeit. Es ist nun wohl im Auge zu behalten, daß eine derartige mathematische Beschreibung erst dann einen physikalischen Sinn hat, wenn man sich vorher darüber klar geworden ist, was hier unter „Zeit^* verstanden wird. Wir haben zu berück- sichtigen, daß alle unsere Urteile, in welchen die Zeit eine Rolle spielt, immer Urteile über gleichzeitige Ereignisse sind. Wenn ich z. B. sage: „Jener Zug kommt hier um 7 Uhr an," so heißt dies etwa: „Das Zeigen des kleinen Zeigers meiner Uhr auf 7 und das Ankommen des Zuges sind gleichzeitige Ereignisse.**) Es könnte scheinen, daß alle die Definition der „Zeit" betreffenden Schwierigkeiten dadurch überwunden werden könnten, daß ich an Stelle der •) Gemeint ist: „in erster Annäherung gelten". **) Die üngenauigkeit, welche in dem Begriffe der Gleichzeitigkeit zweier Er- eignisse an (annähernd) demselben Orte steckt und gleichfalls durch eine Abstraktion überbrückt werden muß, soll hier nicht erörtert werden. Zar Elektrodynamik bewegter Körper 29 „Zeit" die „Stellung des kleinen Zeigers meiner Uhr" setze. Eine solche De- finition genügt in der Tat, wenn es sich darum handelt, eine Zeit zu de- finieren ausschließlich für den Ort, an welchem sich die Uhr eben befindet; die Definition genügt aber nicht mehr, sobald es sich darum handelt, an Yer- schiedenen Orten stattfindende Ereignisreihen miteinander zeitlich zu ver- knüpfen, oder — was auf dasselbe hinausläuft — Ereignisse zeitUch zu werten, welche in von der Uhr entfernten Orten stattfinden. Wir könnten uns allerdings damit begnügen, die Ereignisse dadurch zeitlich zu werten, daß ein samt der Uhr im Eoordinatenursprung befind- licher Beobachter jedem von einem zu wertenden Ereignis Zeugnis gebenden, durch den leeren Raum zu ihm gelangenden Lichtzeichen die entsprechende Uhrzeigerstellung zuordnet. Eine solche Zuordnung bringt aber den Übel- stand mit sich, daß sie vom Standpunkte des mit der Uhr versehenen Beob- achters nicht unabhängig ist, wie wir durch die Erfahrung wissen. Zu einer weit praktischeren Festsetzung gelangen wir durch folgende Betrachtung. Befindet sich im Punkte Ä des Baumes eine# Uhr, so kann ein in Ä be- findlicher Beobachter die Ereignisse in der unmittelbaren Umgebung von A zeitlich werten durch Aufsuchen der mit diesen Ereignissen gleichzeitigen Uhrzeigerstellungen. Befindet sich auch im Pimkte B des Raumes eine Uhr — wir wollen hinzufügen, „eine Uhr von genau derselben Beschaffenheit wie die in Ä befindliche" — so ist auch eine zeitliche Wertung der Ereig- nisse in der unmittelbaren Umgebung von B durch einen in B befindlichen Beobachter möglich. Es ist aber ohne weitere Festsetzung nicht möglich, ein Ereignis in Ä mit einem Ereignis in B zeitlich zu vergleichen; wir haben bisher nur eine „-4-Zeit" und eine „B-Zeit", aber keine für A und B gemein- same „Zeit" definiert. Die letztere Zeit kann nun definiert werden, indem man durch Definition festsetzt, daß die „Zeit", welche das Licht braucht, um von A nach B zu gelangen, gleich ist der „Zeit", welche es braucht, um von B nach A zu gelangen. Es gehe nämlich ein Lichtstrahl zur „^-Zeit" tA von A nach B ab, werde zur „B-Zeit" tß in B gegen A zu refiektiert und gelange zur „J.-Zeit" t^ nach A zurück. Die beiden Uhren laufen definitionsgemäß synchron, wenn tß — ^^ =■ ^-4 — tß. Wir nehmen an, daß diese Definition des Synchronismus in widerspruchs- freier Weise möglich sei, und zwar für beliebig viele Punkte, daß also all- gemein die Beziehungen gelten: 1. Wenn die Uhr in B synchron mit der Uhr in A läuft, so läuft die ühr in A synchron mit der Uhr in B, 2. Wenn die Uhr in A sowohl mit der Uhr in B als auch mit der Uhr in C synchron läuft, so laufen auch die Uhren in B und C synchron relativ zueinander. MAth. Monogr. 8: Einstein, Lorentx, Minkowiki: BeUtiTiatsprincip. 8 30 ^' Einstein Wir haben so unter Zuhilfenahme gewisser (gedachter) physikalischer Erfahrungen festgelegt, was unter synchron laufenden, an verschiedenen Orten befindlichen, ruhenden Uhren zu verstehen ist und damit offenbar eine Definition von „gleichzeitig" und „Zeit" gewonnen. Die „Zeif^ eines Ereig- nisses ist die mit dem Ereignis gleichzeitige Angabe einer am Orte des Er- eignisses befindlichen, ruhenden Uhr, welche mit einer bestimmten, ruhenden Uhr, und zwar für alle Zeitbestimmungen mit der nämlichen Uhr, synchron läuft. Wir setzen noch der Erfahi-ung gemäß fest, daß die Größe eine universelle Konstante (die Lichtgeschwindigkeit im leeren Räume) sei. Wesentlich ist, daß wir die Zeit mittels im ruhenden System ruhender Uhren definiert haben; wir nennen die eben definierte Zeit wegen dieser Zu- gehörigkeit zum ruhenden System „die Zeit des ruhenden Systems". §2. Über die Relativität von Längen und Zeiten. Die folgenden Überlegungen stützen sich auf das Relativitätsprinzip und auf das Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit, welche beiden Prin- zipien wir folgendermaßen definieren. 1. Die Gesetze, nach denen sich die Zustände der physikalischen Systeme ändern, sind unabhängig davon, auf welches von zwei relativ zueinander in gleichförmiger Translationsbewegung befindlichen Koordinatensystemen diese Zustandsänderungen bezogen werden. 2. Jeder Lichtstrahl bewegt sich im „ruhenden" Koordinatensystem mit der bestimmten Geschwindigkeit F, unabhängig davon, ob dieser Lichtstrahl von einem ruhenden oder bewegten Körper emittiert ißt. Hierbei ist Geschwindigkeit == ^^^^ , wobei „Zeitdauer" im Sinne der Definition des § 1 aufzufassen ist. Es sei ein ruhender starrer Stab gegeben; derselbe besitze, mit einem ebenfalls ruhenden Maßstab gemessen, die Länge l. Wir denken uns nun die Stabachse in die X-Achse des ruhenden Koordinatensystems gelegt und dem Stabe hierauf eine gleichförmige Paralleltranslationsbewegung (Geschwindig- keit v) längs der X-Achse im Sinne der wachsenden x erteilt. Wir fragen nun nach der Länge des hewegteti Stabes, welche wir uns durch folgende zwei Operationen ermittelt denken: a) Der Beobachter bewegt sich samt dem vorher genannten Maßstabe mit dem auszumessenden Stabe und mißt direkt durch Anlegen des Maß- Zur Elektrodynamik bewegter Körper 31 Stabes die Länge des Stabes, ebenso, wie wenn sich auszumessender Stab, Beobachter und Maßstab in Ruhe befänden. b) Der Beobachter ermittelt mittels im ruhenden Systeme aufgestellter, gemäß § 1 synchroner, ruhender Uhren, in welchen Punkten des ruhenden Systems sich Anfang und Ende des auszumessenden Stabes zu einer be- stimmten Zeit t befinden. Die Entfernung dieser beiden Punkte, gemessen mit dem schon benutzten, in diesem Falle ruhenden Maßstabe ist ebenfalls eine Länge, welche man als „Länge des Stabes'^ bezeichnen kann. Nach dem Relativitätsprinzip muß die bei der Operation a) zu findende Länge, welche wir „die Länge des Stabes im bewegten System" nennen wollen, gleich der Länge l des ruhenden Stabes sein. Die bei der Operation b) zu findende Länge, welche wir „die Länge des (bewegten) Stabes im ruhenden System^' nennen wollen, werden wir unter Zugrundelegung unserer beiden Prinzipien bestimmen und finden, daß sie von l verschieden ist. Die allgemein gebrauchte Kinematik nimmt stillschweigend an, daß die durch die beiden erwähnten Operationen bestimmten Längen einander genau gleich seien, oder mit anderen Worten, daß ein bewegter starrer Körper in der Zeitepoche t in geometrischer Beziehung vollständig durch denselben Körper, wenn er in bestimmter Lage rtihty ersetzbar sei. Wir denken uns femer an den beiden Stabenden (A und B) Uhren an- gebracht, welche mit den Uhren des ruhenden Systems synchron sind, d. h. deren Angaben jeweilen der „Zeit des ruhenden Systems^^ an den Orten, an welchen sie sich gerade befinden, entsprechen; diese Uhren sind also „syn- chron im ruhenden System". Wir denken uns femer, daß sich bei jeder Uhr ein mit ihr bewegter Beobachter befinde, und daß diese Beobachter auf die beiden Uhren das im § 1 aufgestellte Kriterium für den sychronen Gang zweier Uhren anwenden. Zur Zeit*) t^ gehe ein Lichtstrahl von Ä aus, werde zur Zeit tß in B reflek- tiert und gelange zur Zeit tA nach A zurück. Unter Berücksichtigung des Prinzips von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit finden wir: tn — M ■ V—V und WA » wobei Tab die Länge des bewegten Stabes — im mhenden System gemessen — bedeutet. Mit dem bewegten Stabe bewegte Beobachter würden also die *) ,,Zeit*^ bedeutet hier ,,Zeit des mbenden SysteniB** und zugleich „Zeigerstel- lung der bewegten Uhr, welche sich an dem Orte, von dem die Rede ist, befindet^^ 8* 32 ■^- Einstein beiden Uhren nicht synchron gehend finden^ während im ruhenden System befindliche Beobachter die Uhren als synchron laufend erklären würden. Wir sehen also, daß wir dem Begriffe der Gleichzeitigkeit keine absolide Bedeutung beimessen dürfen, sondern daß zwei Ereignisse, welche, von einem Koordinatensystem aus betrachtet, gleichzeitig sind, von einem relativ zu diesem System bewegten System aus betrachtet, nicht mehr als gleichzeitige Ereignisse aufzufassen sind. §3. Theorie der Koordinaten- und Zeittransformation yon dem mhenden auf ein relatiy zu diesem in gleichförmiger Translationsbewegnng befindliches System. Seien im „ruhenden'^ Räume zwei Koordinatensysteme, d.Lzwei Systeme Ton je drei von einem Punkte ausgehenden, aufeinander senkrechten starren materiellen Linien gegeben. Die X-Achsen beider Systeme mögen zusammen- fallen, ihre Y- und Z-Achsen bezüglich parallel sein. Jedem Systeme sei ein starrer Maßstab imd eine Anzahl Uhren beigegeben, und es seien beide Maßstäbe sowie alle Uhren beider Systeme einander genau gleich. Es werde nun dem Anfangspunkte des einen der beiden Systeme (k) eine (konstante) Geschwindigkeit i; in Richtung der wachsenden o; des anderen, ruhenden Systems (£*) erteilt, welche sich auch den Koordinatenachsen, dem betreffenden Maßstabe sowie den Uhren mitteilen möge. Jeder Zeit t des ruhenden Systems K entspricht dann eine bestimmte Lage der Achsen des bewegten Systems und wir sind aus Symmetriegründen befugt anzunehmen, daß die Bewegung von k so beschaffen sein kann, daß die Achsen des be- wegten Systems zur Zeit t (es ist mit „^^ immer eine Zeit des ruhenden Systems bezeichnet) den Achsen des ruhenden Systems parallel seien. Wir denken uns nun den Raum sowohl vom ruhenden System K aus mittels des ruhenden Maßstabes als auch Yom bewegten System k mittels des mit ihm bewegten Maßstabes ausgemessen und so die Koordinaten rr, y, e bez. I, iy, g ermittelt. Es werde femer mittels der im ruhenden System be- findlichen ruhenden Uhren durch Lichtsignale in der in § 1 angegebenen Weise die Zeit t des ruhenden Systems für alle Punkte des letzteren be- stimmt, in denen sich Uhren befinden; ebenso werde die Zeit r des bewegten Systems für alle Punkte des bewegten Systems, in welchen sich relativ zu letzterem ruhende Uhren befinden, bestimmt durch Anwendung der in § 1 genannten Methode der Lichtsignale zwischen den Punkten, in denen sich die letzteren Uhren befinden. Zu jedem Wertsystem x, y, z, t, welches Ort imd Zeit eines Ereignisses im ruhenden System yollkommen bestimmt, gehört ein jenes Ereignis relativ Zur Elektrodynamik bewegter Körper 33 zum System h festlegendes Wertsystem §, % t, r, und es ist nun die Aufgabe zu lösen^ das diese Größen verknüpfende Gleichungssystem zu finden. Zunächst ist klar^ daß die Gleichungen linear sein müssen wegen der Homogenitätseigenschaften^ welche wir Raum und Zeit beilegen. Setzen wir x'^ x-- vt, so ist klar, daß einem im System h ruhenden Punkte ein bestimmtes, Yon der Zeit unabhängiges Wertsystem x\ y, z zu- kommt. Wir bestimmen zuerst t als Funktion von x\y,e und t Zu diesem Zwecke haben wir in Gleichungen auszudrücken, daß r nichts anderes ist als der Inbegriff der Angaben von im System h ruhenden Uhren, welche nach der im § 1 gegebenen Regel synchron gemacht worden sind. Vom Anfangspunkt des Systems k aus werde ein Lichtstrahl zur Zeit r^ längs der X-Achse nach x' gesandt und von dort zur Zeit T| nach dem Ko- ordinatenursprung reflektiert, wo er zur Zeit r, anlange; so muß dann sein: oder, indem man die Argumente der Funktion r beifügt und das Prinzip der Eonstanz der Lichtgeschwindigkeit im ruhenden Systeme anwendet: i-[r(0,0,0,<) + r(0,0,0J< + y?;-+-j^))] = T(a;',0,0,< + ^). Hieraus folgt, wenn man x' unendlich klein wählt: dv dt , 1 dt oder Es ist zu bemerken, daß wir statt des Eoordinatenursprunges jeden anderen Punkt als Ausgangspunkt des Lichtstrahles hätten wählen können und es gilt deshalb die eben erhaltene Gleichung für alle Werte von x\ y, js. Eine analoge Überlegung — auf die H- und Z- Achse angewandt — liefert, wenn man beachtet, daß sich das Licht längs dieser Achsen vom ruhenden System aus betrachtet stets mit der Geschwindigkeit j/F*— t?* fortpflanzt: dy 1^ = dz ^' Aus diesen Gleichungen folgt, da r eine lineare Funktion ist: wobei a eine vorläufig unbekannte Funktion ^{v) ist und der Kürze halber angenommen ist, daß im Anfangspimkte von A;fttrT = 0^»0 sei. 34 ^' Einstein Mit Hilfe dieses Resultates ist es leicht, die Größen i, rj, g zu ermitteln, indem man durch Gleichungen ausdrückt, daß sich das Licht (wie das Prinzip der Eonstanz der Lichtgeschwindigkeit in Verbindung mit dem Relativitäts- prinzip verlangt) auch im bewegten System gemessen mit der Geschwindig- keit V fortpflanzt. Für einen zur Zeit r — in Richtung der wachsenden | ausgesandten Lichtstrahl gilt: oder Nun bewegt sich aber der Lichtstrahl relativ zum Anfangspunkt von Je im ruhenden System gemessen mit der Geschwindigkeit V— v, so daß gilt: V—v = t. Setzen wir diesen Wert von t in die Gleichung für 5 ein, so erhalten wir: Auf analoge Weise finden wir durch Betrachtung von längs den beiden anderen Achsen bewegten Lichtstrahlen: « wobei 0; also y = ^; a:'= VF«- V* <»i — = a V 4i M - VF«- v* s- a V — e. und yv*—v* Setzen wir für x' seinen Wert ein, so erhalten wir: ^ = (p(v)ß{x — vt)y g = y(t;)^, wobei y'-(f) und q) eine vorläufig unbekannte Funktion von v ist. Macht man über die Anfangslage des bewegten Systems und über den Nullpunkt von t keinerlei Zar Elektrodynamik bewegter Körper 35 Voraussetzung, so ist auf den rechten Seiten dieser Gleichungen je eine ad- ditive Eonstante zuzufügen. Wir haben nun zu beweisen, daß jeder Lichtstrahl sich, im bewegten System gemessen, mit der Geschwindigkeit V fortpflanzt, falls dies, wie wir angenommen haben, im ruhenden System der Fall ist; denn wir haben den Beweis dafür noch nicht geliefert, daß das Prinzip der Konstanz der Licht- geschwindigkeit mit dem Relativitätsprinzip vereinbar sei. Zur Zeit t ^ r =^ werde von dem zu dieser Zeit gemeinsamen Koordi- natenursprung beider Systeme aus eine Kugelwelle ausgesandt, welche sich im System K mit der Geschwindigkeit V ausbreitet. Ist {x, y, z) ein eben von dieser Welle ergriffener Punkt, so ist also x^ + y^ + z^==rH^. Diese Gleichung transformieren wir mit Hilfe unserer Transformations- gleichungen und erhalten nach einfacher Rechnung: V + v' + V-r'r\ Die betrachtete Welle ist also auch im bewegten System betrachtet eine Kugelwelle von der Ausbreitungsgeschwindigkeit F. Hiermit ist gezeigt, daß unsere beiden Grundprinzipien miteinander vereinbar sind .*) Li den entwickelten Transformationsgleichungen tritt noch eine unbe- kannte Funktion (p von v auf, welche wir nun bestimmen wollen. Wir führen zu diesem Zwecke noch ein drittes Koordinatensystem K' ein, welches relativ zum System k derart in Paralleltranslationsbewegung parallel zur iS-Achse begriffen sei, daß sich dessen Koordinatenursprung mit der Ge- schwindigkeit — v auf der ^-Achse bewege. Zur Zeit ^ = mögen alle drei Koordinatenanfangspunkte zusammenfallen und es sei für t^x^y = g = die Zeit^' des Systems K' gleich Null. Wir nennen x\ y', z' die Koordi- naten, im System K' gemessen, und erhalten durch zweimalige Anwendung unserer Transformationsgleichungen: a;' =. 9 (- v)ß (- v) { S + VT } = q>{v)(p (— v)x, *) Die Gleichungen der Lorentz-Transformation sind einfacher direkt aus der Bedingung abzuleiten, daß vermöge jener Gleichungen die Beziehung l' + ^" + f'-F«r« = 0, die andere x^ + y^ + z^ — VU^^O zur Folge haben soll. 36 A. Einstein Da die Beziehungen zwischen a:', y', z' nnd a;, y, z die Zeit t nicht ent- halten, so ruhen die Systeme K und K' gegeneinander, und es ist klar, daß die Transformation von K auf K' die identische Transformation sein muß. Es ist also: 9(t;)9(-t;)-l. Wir fragen nun nach der Bedeutung von ^(t;). Wir fassen das Stück der -ff-Achse des Systems Z; ins Auge, das zwischen 6 = 0> ^==0, g = und 5 = 0, iy = Z, g = gelegen ist. Dieses Stück der -^- Achse ist ein relativ zum System K mit der Geschwindigkeit t; senkrecht zu seiner Achse bewegter Stab, dessen Enden in £* die Koordinaten besitzen: und 0. Die Länge des Stabes, in K gemessen, ist also ll^{v)\ damit ist die Bedeu- tung der Funktion q> gegeben. Aus Symmetriegründen ist nun einleuchtend, daß die im ruhenden System gemessene Länge eines bestimmten Stabes, welcher senkrecht zu seiner Achse bewegt ist, nur von der Geschwindigkeit, nicht aber von der Bichtung und dem Sinne der Bewegung abhängig sein kann. Es ändert sich also die im ruhenden System gemessene Länge des bewegten Stabes nicht, wenn v mit — v vertauscht wird. Hieraus folgt: l l Xi^ vt, l ^1 a;,— vt, y^-o, ^2 qp (f) 9 (— v) ' oder Aus dieser und der Torhin gefundenen Relation folgt, daß ip{y)=^\ sein muß, 80 daß die gefundenen Transformationsgleichungen übei^eben in: wobei 1/'-(t)* Zur Elektrodynamik bewegter Körper 37 §4. Physikalische Bedeutung der erhaltenen Gleichungen^ bewegte starre Körper und bewegte Uhren betrefifend. Wir betrachten eine starre Kugel*) vom Radius U, welche relativ zum bewegten System k ruhi^' nnd deren Mittelpunkt im Koordinatenursprung von & liegt. Die Gleichuhg der Oberfläche dieser relativ zum System K mit der Geschwindigkeit v bewegten Kugel ist: V + v'+t'-R'^ Die Gleichung dieser Oberfläche ist in x,y, z ausgedrückt zur Zeit t^O: (V'-(f)') IT-, + y' + z'-- B'. Ein starrer Körper, welcher in ruhendem Zustande ausgemessen die Gestalt einer Kugel hat, hat also in bewegtem Zustande — vom ruhenden System aus betrachtet — die Gestalt eines Rotationsellipsoides mit den Achsen ij]/i-(-^)*,ü,ü. Während also die Y- und Z-Dimension der Kugel (also auch jedes starren Körpers von beliebiger Gestalt) durch die Bewegung nicht modifiziert erscheinen, erscheint die X-Dimension im Verhältnis 1 : "j/l — (v/F)^ verkürzt, also um so stärker, je größer v ist. Für v =*V schrumpfen alle bewegten Objekte — vom „ruhenden" System aus betrachtet — in flächenhafte Gebilde zusammen. Für Überiichtgeschwindigkeiten werden unsere Überlegungen sinnlos; wir werden übrigens in den folgenden Betrachtungen finden, daß die Lichtgeschwindigkeit in unserer Theorie physikalisch die BoUe unend- lich großer Geschwindigkeit spielt. Es ist klar, daß die gleichen Resultate von im „ruhenden" System ruhenden Körpern gelten, welche von einem gleichförmig bewegten System aus betrachtet werden. — Wir denken uns femer eine der Uhren, welche relativ zum ruhendem System ruhend die Zeit t^ relativ zum bewegten System ruhend die Zeit r anzugeben beföhigt sind, im Koordinatenursprung von k gelegen und so ge- richtet, daß sie die Zeit z angibt. Wie schnell geht diese Uhr, vom ruhenden System aus betrachtet? Zwischen den Größen Xy t und r, welche sich auf den Ort dieser Uhr be- ziehen, gelten offenbar die Gleichungen: *) Das heißt einen Körper, welcher ruhend untersucht Kugelgestalt besitzt. 38 ^' Einstein und Es ist also yA^-^'-'-'^ X — vt . ,|/r- (-;.)■-, -(i-i/,-(f)>, woraus folgt, daß die Angabe der Uhr (im ruhenden System betrachtet) pro Sekunde um (l — }/i — (v/Vy) Sek. oder — bis auf Größen vierter und höherer Ordnung — um \ {vjVy Sek. zurückbleibt. Hieraus ergibt sich folgende eigentümliche Eonsequenz. Sind in den Punkten A und B von K ruhende, im ruhenden System betrachtet, synchron gehende Uhren vorhanden, und bewegt man die Uhr in A mit der Geschwin- digkeit V auf der Verbindungslinie nach J5, so gehen nach Ankunft dieser Uhr in B die beiden Uhren nicht mehr synchron, sondern die von A nach B be- wegte Uhr geht gegenüber der von Anfang an in B befindlichen um \tv^/V^ Sek. (bis auf Größen vierter und höherer Ordnung) nach, wenn t die Zeit ist, welche die Uhr von A nach B braucht. Man sieht sofort, daß dies Resultat auch dann noch gilt, wenn die Uhr in einer beliebigen polygonalen Linie sich von A nach B bewegt, und zwar auch dann, wenn die Punkte A und B zusammenfallen. Nimmt man an, daß das für eine polygonale Linie bewiesene Resultat auch für eine stetig gekrümmte Kurve gelte, so erhält man den Satz: Be-' finden sich in A zwei synchron gehende Uhren und bewegt man die eine derselben auf einer geschlossenen Kurve mit konstanter Geschwindigkeit, bis sie wieder nach A zurückkommt, was t Sek. dauern möge, so geht die letztere Uhr bei ihrer Ankunft in A gegenüber der unbewegt gebliebenen um jt(v/Vy Sek. nach. Man schließt daraus, daß eine am Erdäquator be- findliche Unruhuhr*) um einen sehr kleinen Betrag langsamer laufen muß als eine genau gleich beschaffene, sonst gleichen Bedingungen unterworfene, an einem Erdpole befindliche Uhr. §5. Additionstheorem der Geschwindigkeiten. In dem längs der X-Achse des Systems £* mit der Geschwindigkeit v bewegten System k bewege sich ein Punkt gemäß den Gleichungen: wobei w^ und w Konstanten bedeuten. *) Im Gegensatz zu „Pendeluhr*^, welche — physikalisch betrachtet — ein System ist, zu welchem der Erdkörper gehört; dies mußte ausgeschlossen werden. Zur Elektrodynamik bewegter Körper 39 Gesucht ist die Bewegung des Punktes relativ zum System JT. Führt man in die Bewegungsgleichungen des Punktes mit Hufe der in § 3 ent- wickelten Transformationsgleichungen die Größen x^ y, e, t ein, so erhält man: X =» * VWt 1+ w t, 1 + -irT Das Gesetz yom Parallelogramm der Geschwindigkeiten gilt also nach unserer Theorie nur in erster Annäherung. Wir setzen: und ^•- ©■+ ©' n'*= «7^* + w^^ a — arctg( ^ ]; Cjll^ a ist dann als der Winkel zwischen den Geschwindigkeiten v und w anzu- sehen. Nach einfacher Rechnung ergibt sich: l// t I t I A X /vtüBina\* 1/ (v * + *''+ 2t;tt? cofla) — ( — =r — j Es ist bemerkenswert; daß v und w in symmetrischer Weise in den Ausdruck für die resultierende Geschwindigkeit eingehen. Hat auch w die Richtung der X-Achse (Ä- Achse), so erhalten wir: + VW Aus dieser Gleichung folgt, daß aus der Zusammensetzung zweier Geschwin- digkeiten, welche kleiner sind als F, stets eine Geschwindigkeit kleiner als V resultiert. Setzt man nämlich v — F— x, w = F— A, wobei x imd X positiv und kleiner als F seien, so ist: 40 ^* Einstein Es folgt ferner, daß die Lichtgescbwindigkeit V durch Zusammensetznng mit einer ^^ünterliclitgescliwindigkeit^' nicht geändert werden kann. Man erhält für diesen Fall: 1 4-- Wir hätten die Formel für ü für den Fall, daß v und w gleiche Richtung besitzen, auch durch Zusammensetzen zweier Transformationen gemäß § 3 erhalten können. Führen wir neben den in § 3 figurierenden Systemen K und Je noch ein drittes, zu k in Parallelbewegung begriffenes Koordinaten- system h' ein, dessen Anfangspunkt sich auf der ^- Achse mit der Geschwin- digkeit w bewegt, so erhalten wir zwischen den Größen x, y, jer, t imd den entsprechenden (Jrößen von Ä' Gleichungen, welche sich von den in § 3 ge- fundenen nur dadurch unterscheiden, daß an Stelle von y,v" die Gh*öße tritt; man sieht daraus, daß solche Paralleltransformationen — wie dies sein muß — eine Gruppe bilden. Wir haben nun die für uns notwendigen Sätze der unseren zwei Prin- zipien entsprechenden Eanematik hergeleitet und gehen dazu über, deren An- wendung in der Elektrodynamik zu zeigen. II. Elektrodynamischer Teil. So- Transformation der Maxwell-Hertzschen Oleichnngen fdr den leeren Ranm. Über die Natur der bei Bewegung in einem Magnetfeld auf- tretenden elektromotorischen Kräfte. Die Maxwell-Hertzschen Gleichungen für den leeren Raum mögen gültig sein für das ruhende System K, so daß gelten möge : 1 dX dN V dt ^ cy dM dz ' 1 dL dY V et " dz dZ dy ' 1 dY dL V et ~ dz' dN dx ' 1 dM dZ V dt ^ dx dx dz ' 1 dZ dM V dt " dx dL dy ' 1 dN dx V dt "dy dY dx ' wobei (Z, J", Z) den Vektor der elektrischen, (X, Jlf, 'S) den der magne- tischen Kraft bedeutet. Zur Elektrodynamik bewegter Körper 41 Wenden wir auf diese Gleichungen die in § 3 entwickelte Transforma- tion an, indem wir die elektromagnetischen Vorgänge auf das dort einge- fQhrte^ mit der Geschwindigkeit v bewegte Koordinatensystem beziehen^ so erhalten wir die Gleichungen: 1 dX • ^K^-T^) dß{M + ^z) V dt dn dt ' 1^^ r^) dL ^K^ F^) V dt ^ dt ci > iM^+T^) »H^+V-^) dL V dt " a{ dn ' 1 dL ^K^ » M^+f ^) V dt ^ dt dn ' ^dß(M+y.z) dß{z+^.M) ^^ i s ♦■ 'J ."- >- -. -2 -- r dt ~ di dt' i^K^ ;^) dx M^ -r^) wobei gr dn di ß- l/-(y)' Das Relatiyitätsprinzip fordert nun^ daß die Maxwell-Hertzschen Glei- chungen für den leeren Raum auch im System Je gelten, wenn sie im System £" gelten, d. h. daß für die im bewegten System k durch ihre ponderomotorischen Wirkimgen auf elektrische bez. magnetische Massen definierten Vektoren der elektrischen und magnetischen Kraft ((X', F', Z') und (L', M\ N')) des be- wegten Systems k die Gleichungen gelten: 1 dX' dN' dM' 1 dr d r' dZ' V dt ^ dn dj; ' V dt di dn ' 1 ar dv dN' 1 dM' dZ' dX' V dt "^ d^ dk ' V dt di dl > 1 d// dM' dV 1 dN' dX' dY' V dt "^ di ' dn ' V dt ^ dn di Offenbar müssen nun die beiden für das System k gefundenen Gleichungs- systeme genau dasselbe ausdrücken, da beide Gleichungssysteme den Max- well- Hertzschen Gleichungen für das System K äquivaleut sind. Da die Gleichungen beider Systeme ferner bis auf die die Vektoren darstellenden Symbole übereinstimmen, so folgt, daß die in den Gleichungssystemen an 42 A.. Einstein entsprechenden Stellen auftretenden Funktionen bis auf einen für alle Funk- tionen des einen Gleicliungssjstems gemeinsamen, von ^y rj, ^ und z unab- hängigen^ eventuell von v abhängigen Faktor ip(v) übereinstimmen müssen. Es gelten also die Beziehungen: Z' = t{v)ß [z+^m), N'^ Hv)ß (n^^Y). Bildet man nun die ümkehrung dieses Gleichungssystems, erstens durch Auflösen der soeben erhaltenen Gleichungen, zweitens durch Anwendung der Gleichungen auf die inverse Transformation (von k auf K), welche durch die Geschwindigkeit — v charakterisiert ist, so folgt, indem man berücksichtigt, daß die beiden so erhaltenen Gleichungssysteme identisch sein müssen: ^(t;) • 9(— t;) « 1 . Femer folgt aus Symmetriegründen*) 9)(t;) = 9)(-t;); es ist also 9(r)=l, und unsere Gleichungen nehmen die Form an: X'-X, i'=L, Z'^ß{z+^M), N'^ß(N^^Y). Zur Interpretation dieser Gleichungen bemerken wir folgendes. Es liegt eine punktförmige Elektrizitätsmenge vor, welche im ruhenden System K ge- messen von der Größe „eins'' sei, d. h. im ruhenden System ruhend auf eine gleiche Elektrizitätsmenge im Abstand 1 cm die Kraft 1 Dyn ausübe. Nach dem Belativitätsprinzip ist diese elektrische Masse auch im bewegten System gemessen von der Größe „eins''. Ruht diese Elektrizitätsmenge relativ zum ruhenden System , so ist definitionsgemäß der Vektor (X, !F, Z) gleich der auf sie wirkenden Straft. Ruht die Elektrizitätsmenge gegenüber dem be- wegten System (wenigstens in dem betreffenden Augenblick), so ist die auf sie wirkende, in dem bewegten System gemessene Kraft gleich dem Vektor •) Ißt z. B. X^ Y= Z= Z» == ilf = und N^ 0, so ist aus Symmetriegründen klar, daß bei Zeichenwechsel von v ohne Änderung des numerischen Wertes auch Y* sein Vorzeichen ändern maß, ohne seinen numerischen Wert zn ändern. Znr Elektrodynamik bewegter Körper 43 (X', Y'yZ'). Die ersten drei der obigen Gleichungen lassen sich mithin auf folgende zwei Weisen in Worte kleiden : 1. Ist ein punktförmiger elektrischer Einheitspol in einem elektromagne- tischen Felde bewegt, so wirkt auf ihn außer der elektrischen Kraft eine „elektromotorische Kraft", welche unter Vernachlässigung von mit der zweiten und höheren Potenzen von v/V multiplizierten Gliedern gleich ist dem mit der Lichtgeschwindigkeit dividierten Vektorprodukt der Bewegungsgeschwin- digkeit des Einheitspoles und der magnetischen Kraft. (Alte Ausdrucks weise.) 2. Ist ein punktförmiger elektrischer Einheitspol in einem elektromagne- tischen Felde bewegt, so ist die auf ihn wirkende Kraft gleich der an dem Orte des Einheitspoles vorhandenen elektrischen Kraft, welche man durch Transformation des Feldes auf ein relativ zum elektrischen Einheitspol ruhen- des Koordinatensystem erhält. (Neue Ausdrucks weise.) Analoges gilt über die „magnetomotorischen Kräfte". Man sieht, daß in der entwickelten Theorie die elektromotorische Kraft nur die Rolle eines Hilfsbegriffes spielt, welcher seine Einführung dem Umstände verdankt, daß die elektrischen und magnetischen Kräfte keine von dem Bewegungszustande des Koordinatensystems unabhängige Existenz besitzen. Es ist femer klar, daß die in der Einleitung angeführte Asymmetrie bei der Betrachtung der durch Relativbewegung eines Magneten und eines Leiters erzeugten Ströme verschwindet. Auch werden die Fragen nach dem ,Sitz" der elektrodynamischen elektromotorischen Kräfte (Unipolarraaschinen) gegenstandslos. §7. Theorie des Doppelerschen Prinzips und der Aberration. Im Systeme K befinde sich sehr ferne vom Koordinatenursprung eine Quelle elektrodynamischer Wellen, welche in einem den Koordinatenursprung enthaltenden Raumteil mit genügender Annährung durch die Gleichungen dargestellt seien: X =» X^ sin *, L = Lq sin , v =-» oo ist. Nennt man (p' den Winkel zwischen WeUennormale (Strahlrichtung) im bewegten System und der Verbindungslinie „Lichtquelle— Beobachter", so Zur Elektrodynamik bewegter Körper 45 nimmt die Gleichung für a' die Form an: cos 9 V 1 — -7^ COB gj Diese Gleichung drückt das Aberrationsgesetz in seiner allgemeinsten Form aus. Ist ^> ^ Jt/2, so nimmt die Gleichung die einfache Gestalt an: cos fp ^ — -jr- Wir haben nun noch die Amplitude der Wellen, wie dieselbe im be- wegten System erscheint, zu suchen. Nennt man Ä bez. Ä' die Amplitude der elektrischen oder magnetischen Kraft im ruhenden bez. im bewegten System gemessen, so erhält man: (i — y cos (p^ ^ Ä^ -(t)" ■ welche Gleichung für tp = in die einfachere übergeht: V A'»^Ä* -■ Es folgt aus den entwickelten Gleichungen, daß für einen Beobachter, der sich mit der Geschwindigkeit V einer Lichtquelle näherte, diese Licht- quelle unendlich intensiv erscheinen müßte. §8. Transformation der Energie der Lichtstrahlen. Theorie des anf Tollkommene Spiegel ausgeübten Strahlnngsdmckes. Da Ä^Sjt gleich der Lichtenergie pro Volumeneinheit ist, so haben wir nach dem Relativitätsprinzip ä'^/Stc als die Lichtenergie im bewegten System zu betrachten. Es wäre daher A^/A^ das Verhältnis der „bewegt gemessenen" und „ruhend gemessenen" Energie eines bestimmten Lichtkomplexes, wenn das Volumen eines Lichtkomplexes in K gemessen und in & gemessen das gleiche wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall. Sind a, h, c die Richtungs- kosinus der Wellennormalen des Lichtes im ruhenden System, so wandert durch die Oberflächenelemente der mit Lichtgeschwindigkeit bewegten Kugel- fläche (x - Vaty + (y - nty + (i? - vcty = r^ keine Energie hindurch; wir können daher sagen, daß diese Fläche dauernd denselben Lichtkomplex umschließt. Wir fragen nach der Energiemenge, M«th. Monogr. 2: Einstein, Lorents, Minkowski: BaUiiriUtoprinsJp. i 46 ^» E1M8TSIH welche diese Fläclie im System Je betrachtet umschließt, d. h. nach der Energie des Lichtkomplexes relativ zum System k. Die Eugelfläche ist — im bewegten System betrachtet — eine Ellipsoid- fläche, welche zur Zeit r » die Qleichung besitzt: (ßl-aß^ g) + (v-bß^ 1) + {t-cß^ 1)'- R'. Nennt man S das Volumen der Kugel, S' dasjenige dieses EUipsoides, so ist, wie eine einfache Rechnung zeigt: S ^ V 1 r=r COS 9 Nennt man also E die im ruhenden System gemessene, E' die im bewegten System gemessene Lichtenergie, welche Yon der betrachteten Fläche um- schlossen wird, so erhält man: S y-fr) 8« welche Formel für 9 = in die einfachere übergeht: E' E Es ist bemerkenswert, daß die Energie und die Frequenz eines Licht- komplexes sich nach demselben Gesetze mit dem Bewegungszustande des Beobachters ändern. Es sei nun die Koordinatenebene g = eine vollkommen spiegelnde Fläche, an welcher die im letzten Paragraph betrachteten ebenen Wellen reflektiert werden. Wir fragen nach dem auf die spiegelnde Fläche ausgeübten Lichtdruck und nach der Richtung, Frequenz und Intensität des Lichtes nach der Reflexion. Das einfallende Licht sei durch. die Gh*oßen Aj cos 9), v (auf das System JT bezogen) definiert. Yon k aus betrachtet sind die entsprechenden Größen: 1 — -^ cos qp Ä=A ^ cos 9 VHf)" COS 9 — ^ 1 — y COS 9 Znr Elektrodynamik bewegter Körper 47 V 1 r=^ COB 9 f' - (t)" Für das reflektierte Licht erhalten wir, wenn wir den Vorgang auf das System Je beziehen: // cos y -» — cos g> , n t Endlich erhalt man durch Rücktransformieren aufs ruhende System K fdr das reflektierte Licht: 1 + ~ cos 9" 1 _ 2 ^ C08 9 + (^) A"» ^ Ä»f ^ ^ A 1 ^^ ' XI. ^ XX, . ™ xX. ;: — r-«j • ,, °"'''+y (■+(t)> "'-'t cos 9 = =• — - . ,- , 1 + "l; coB 9" 1 — 2 ^ cos 9 + (yj ^ 1+y COB9" l_-2-|rC0B9+ {^ /// // 1; »— 1; . = V lAlf)"' (-« Die auf die Flächeneinheit des Spiegels pro Zeiteinheit auf treffende (im ruhenden System gemessene) Energie ist offenbar -478Ä(Fcosqp — t?). Die Yon der Flächeneinheit des Spiegels in der Zeiteinheit sich entfernende Energie ist Ä"^ß%{^ Fcos 9'"+ t;). Die Differenz dieser beiden Ausdrücke ist nach dem Energieprinzip die vom Lichtdrucke in der Zeiteinheit ge- leistete Arbeit. Setzt man die letztere gleich dem Produkt P • v, wobei P der Lichtdruck ist, so erhält man: 2# - (t) In erster Annäherung erhält man in Übereinstimmung mit der Erfahrung und mit anderen Theorien P-2#^cobV- Nach der hier benutzten Methode können alle Probleme der Optik be- wegter Körper gelöst werden. Das Wesentliche ist, daß die elektrische und magnetische Kraft des Lichtes, welches durch einen bewegten Körper beein- flußt wird, auf ein relativ zu dem Körper ruhendes Koordinatensystem trans- 48 A. Einstein formiert werden. Dadurch wird jedes Problem der Optik bewegter Körper auf eine Reihe von Problemen der Optik ruhender Körper zurückgeführt. §9. Transformation der Maxwell-Hertzschen Gleichnngen mit Berück- sichtigung der Konyektionsströme. Wir gehen aus von den Gleichungen: V [^'^'^ dt J dy ~Jz ' V V l^y^"^ dt i"^ de dx ' V dZ\ dM dL 1 wobei: 1 [ , dZ \ dx dy ' V ax a r dz^ ^^ dx "^ dy ■*" 'dz dL cY dZ dt dz dy ' dM dz dX dt dx dz ' dN dx dY dt dy dx ' die 4;r-fache Dichte der Elektrizität und (w„ w^, u,) den Geschwindigkeits- vektor der Elektrizität bedeutet. Denkt man sich die elektrischen Massen unveränderlich an kleine, starre Körper (Ionen, Elektronen) gebunden, so sind diese Gleichungen die elektromagnetische Grundlage der Lorentzschen Elektrodynamik und Optik bewegter Körper. Transformiert man diese Gleichungen, welche im System K gelten mögen, mit Hilfe der Transformationsgleichungen von § 3 und § 6 auf das System k, so erhält man die Gleichungen: V r^^ "^ är j "■ dri d^ ' dt ~ d^ dn ' H '_L ^Zl\-_^_^_1^ dM' _ dZ' dX' vv'n^'^'dx ]" dl di ' dt ~ d% dl ' 1 r , , dZ' \ dM' dL' dN' dX' dY' wobei di dn ' dt dn di uy , dX' , dY' , dZ' "('-W n , dX' , dY' . dZ' ^ /- vu^\ K'-^) Da — wie aus dem Additionstheorem der Geschwindigkeiten (§ 5) folgt — der Vektor (u^, u^, u^ nichts anderes ist als die Geschwindigkeit der elek- Zni Elektrodynamik bewegter Körper 49 trischen Massen im System h gemessen, so ist damit gezeigt, daß unter Zu- grundelegung unserer kinematischen Prinzipien die elektrodynamische Grund- lage der Lorentzschen Theorie der Elektrodynamik bewegter Körper dem Relativitätsprinzip entspricht. Es möge noch kurz bemerkt werden, daß aus den entwickelten Glei- chungen leicht der folgende wichtige Satz gefolgert werden kann: Bewegt sich ein elektrisch geladener Körper beliebig im Baume und ändert sich hierbei seine Ladung nicht, von einem mit dem Körper bewegten Koordi- natensystem aus betrachtet, so bleibt seine Ladung auch — von dem „ruhen- den" System K aus betrachtet — konstant. §10. Dynamik des (langsam beschlennigten) Elektrons. Li einem elektromagnetischen Felde bewege sich ein punktförmiges, mit einer elektrischen Ladung a versehenes Teilchen (im folgenden „Elektron" genannt), über dessen Bewegungsgesetz wir nur folgendes annehmen: Ruht das Elektron in einer bestimmten Epoche, so erfolgt in dem nächsten Zeitteilchen die Bewegung des Elektrons nach den Gleichungen ^ dt' - '^' wobei z, y, z die Koordinaten des Elektrons, fi die Masse des Elektrons be- deutet, sofern dasselbe langsam bewegt ist. Es besitze nun zweitens das Elektron in einer gewissen Zeitepoche die Geschwindigkeit v. Wir suchen das Gesetz, nach welchem sich das Elektron im unmittelbar darauf folgenden Zeitteilchen bewegt. Ohne die Allgemeinheit der Betrachtung zu beeinflussen, können und wollen wir annehmen, daß das Elektron in dem Momente, wo wir es ins Auge fassen, sieh im Koordinatenursprung befinde und sich längs der X-Achse des Systems K mit der Geschwindigkeit v bewege. Es ist dann einleuchtend, daß das Elektron im genannten Momente {t » 0) relativ zu einem längs der X-Achse mit der konstanten Geschwindigkeit v parallel bewegten Koordi- natensystem k ruht. Aus der oben gemachten Voraussetzung in Verbindung mit dem Relar tivitätsprinzip ist klar, daß sich das Elektron in der unmittelbar folgenden Zeit (für kleine Werte von t) vom System h aus betrachtet nach den Glei- chungen bewegt: 50 A. EnsTsnr d*n sX', sT, bZ', wobei die Zeichen |, 17, S, x, X', Y', Z' sich auf das System Tc beziehen. Setzen wir noch fest, daß für< = a: — y-»« — r — | — 1; — g — sein soll, so gelten die Transformationsgleichungen der §§ 3 and 6, so daß gilt: x = ß{t-f,x), %^ß{x~vt), X'-Z, ■n-y, T^ß(T-^N), g = «, Z'^ß(z+^M). Mit Hilfe dieser Gleichungen transformieren wir die obigen Bewegangs- gleichungen yom System Je auf das System K und erhalten: (A) d*x dt* d*y dt* d*t dt* i- ^ X Wir fragen nun in Anlehnung an die übliche Betrachtungsweise nach der y^^ngitudinalen'^ und y^transyersalen^^ Masse des bewegten Elektrons. Wir schreiben die Gleichungen (A) in der Form liß dt* «X — aX', liß*-^^^Bß{z + ^M) = aZ' und bemerken zimächst^ daß bX.\ eY\ sZ' die Komponenten der auf das Elektron wirkenden ponderomotorischen Kraft sind, und zwar in einem in diesem Moment mit dem Elektron mit gleicher Geschwindigkeit wie dieses bewegten System betrachtet. (Diese Kraft könnte beispielsweise mit einer im letzten System ruhenden Federwage gemessen werden.) Wenn wir nun Zur Elektrodynamik bewegter Körper 51 diese Kraft; schlechtweg ^^die auf das Elektron wirkende Eraft'^ nennen^) und die Gleichung Massenzahl x Beschleunigungszahl » E^raftzahl aufrechterhalten, und wenn wir femer festsetzen, daß die Beschleunigungen im ruhenden System K gemessen werden sollen, so erhalten wir aus obigen Gleichungen: Louiritudinale Masse = -; -- — ^ — =—. , (y-w) Transversale Masse = ^,—rr' Natürlich würde man bei anderer Definition der Kraft und der Be- schleimigung andere Zahlen für die Massen erhalten; man ersieht daraus, daß man bei der Yergleichung verschiedener Theorien der Bewegung des Elektrons sehr vorsichtig verfahren muß. Wir bemerken, daß diese Resultate über die Masse auch für die pon- derabeln materiellen Punkte gilt; denn ein ponderabler materieller Punkt kann durch Zufügen einer beliebig Meinen elektrischen Ladung zu einem Elektron (in unserem Sinne) gemacht werden. Wir bestimmen die kinetische Energie des Elektrons. Bewegt sich ein Elektron vom Koordinatenursprung des Systems K aus mit der Anfangs- geschwindigkeit beständig auf der X-Achse unter der Wirkung einer elek- trostatischen Kraft X, so ist klar, daß die dem elektrostatischen Felde ent- zogene Energie den Wert /^Xc^rr hat. Da das Elektron langsam beschleunigt sein soll und infolgedessen keine Energie in Form von Strahlung abgeben möge, so muß die dem elektrostatischen Felde entzogene Energie gleich der Bewegungsenergie W des Elektrons gesetzt werden. Man erhält daher, indem man beachtet, daß während des ganzen betrachteten Bewegungsvorganges die erste der Gleichungen (A) gilt: W wird also für v = F unendlich groß. Überlichtgeschwindigkeiten haben — wie bei unseren früheren Resultaten — keine Existenzmöglichkeit Auch dieser Ausdruck für die kinetische Energie muß dem oben ange- führten Argument zufolge ebenso für ponderable Massen gelten. *) Die hier gegebene Definition der Kraft ist nicht Yorteilhaft, wie zuerst von « M. Planck dargetan wurde. Es ist vielmehr zweckmäßig, die Kraft so zn definieren, daß der Impulssatz und der Energiesatz die einfachste Form annehmen. 52 A. EnrsTEiii. Zur Elektrodynamik bewegter Körper Wir wollen nan die aus dem Oleichungssystem (A) resultierenden, dem Experimente zu^nglichen Eigenschaften der Bewegung des Elektrons auf- zählen. 1. Aus der zweiten Gleichung des Systems (A) folgt, daß eine elek- trische Kraft Y und eine magnetische Kraft N dann gleich stark ablenkend wirken auf ein mit der Geschwindigkeit v bewegtes Elektron, wenn T^N-v/V. Man ersieht also, daß die Ermittelung der Geschwindigkeit des Elektrons aus dem Verhältnis der magnetischen Ablenkbarkeit A^ und der elektrischen Ablenkbarkeit Ä^ nach unserer Theorie für beliebige Geschwindigkeiten mög- lich ist durch Anwendung des Gesetzes: Diese Beziehimg ist der Prüfung durch das Experiment zugänglich, da die Geschwindigkeit des Elektrons auch direkt, z. B. mittels rasch oszillie- render elektrischer und magnetischer Felder, gemessen werden kann. 2. Aus der Ableitung für die kinetische Energie des Elektrons folgt, daß zwischen der durchlaufenen Potentialdifferenz und der erlangten Ge- schwindigkeit V des Elektrons die Beziehung gelten muß: jxix = f •2 ly-irr -1 3. Wir berechnen den Krümmungsradius i2 der Bahn, wenn eine senk- recht zur Geschwindigkeit des Elektrons wirkende magnetische Kraft "N (als einzige ablenkende Kraft) vorhanden ist. Aus der zweiten der Gleichungen (A) erhalten wir: oder B.^y^^' V 1 • 1/. - (^)- ^ Diese drei Beziehungen sind ein vollständiger Ausdruck für die Gesetze nach denen sich gemäß vorliegender Theorie das Elektron bewegen muß. Zum Schlüsse bemerke ich, daß mir beim Arbeiten an dem hier behan- delten Probleme mein Freund und Kollege M. Besso treu zur Seite stand und daß ich demselben manche wertvolle Anregung verdanke. A. Einstein. Ist die Trägheit eines Körpers von seinem Energieinhalt abhängig? 53 Ist die Trägheit eines Körpers von seinem Energieinhalt abhängig? Von A. Einstein.*) Die Resultate der vorstehenden Untersuchung führen zu einer sehr interessanten Folgerung, die hier abgeleitet werden soll. Ich legte dort die Maxwell-Hertzschen Gleichungen für den leeren Raum nebst dem MaxweUschen Ausdruck für die elektromagnetische Energie des Raumes zugrunde und außerdem das Prinzip: Die Gesetze, nach denen sich die Zustände der physikalischen Systeme ändern, sind unabhängig davon, auf welches von zwei relativ zueinander in gleichförmiger ParaUel-Translationsbewegung befindlichen Koordinaten- systemen diese Zustandsänderungen bezogen werden (Relativitätsprinzip). Gestützt auf diese Grundlagen**) leitete ich unter anderem das nach- folgende Resultat ab (1. c. § 8): Ein System von ebenen Lichtwellen besitze, auf das Koordinatensystem {Xy yy z) bezogen, die Energie l\ die Strahlrichtung (Wellennormale) bilde den Winkel q> mit der a;-Achse des Systems. Führt man ein neues, gegen das System (a?, y, z) in gleichförmiger Paralleltranslation begriffenes Koordi- natensystem (I, riy ^) ein, dessen Ursprung sich mit der Geschwindigkeit v längs der a;-Achse bewegt, so besitzt die genannte Lichtmenge — im System (§, ri, g) gemessen — die Energie: 1 — r=- cos 9 V' - (f )■ wobei V die Lichtgeschwindigkeit bedeutet. Von diesem Resultat machen wir im folgenden Gebrauch. Es befinde sich nun im System {x, y, z) ein ruhender Körper, dessen Energie — auf das System (a:, y, z^ bezogen — Eq sei. Relativ zu dem wie oben mit der Geschwindigkeit v bewegten System (|, iy, g) sei die Energie des Körpers H^, *) Abgedruckt aus Ann. d. Phys. 17 (1906). **) Das dort benutzte Prinzip der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit ist natür- lich in den Mazwellschen Gleichungen enthalten. 54 A. ElKSTEIK Dieser Körper sende in einer mit der x-Achse den Winkel (p bildenden Richtung ebene Lichtwellen von der Energie L/2 (relativ zu {x, y, z) ge- messen) und gleichzeitig eine gleich große Lichtmenge nach der entgegen- gesetzten Richtung. Hierbei bleibt der Körper in Ruhe in bezug auf das System {x^ y, z). Für diesen Vorgang muß das Energieprinzip gelten und zwar (nach dem Prinzip der Relativität) in bezug auf beide Koordinaten- systeme. Nennen wir E^ bez. H^ die Energie des Körpers nach der Licht- aussendung^ relativ zum System {Xj y, z) bez. (1, % g) gemessen^ so erhalten wir mit Benutzung der oben angegebenen Relation: J3o-S,+ j 1 — T?- cos qp V =--: + 2,1+ v" **'*'' L']/'-(f)' Y-(y-)'J ff,+ V'- (t) Durch Subtraktion erhält man aus diesen Gleichungen: (E,-E,) - (H,-E,) _l(-_=L.-,. - 1 V' - (t)' Die beiden in diesem Ausdruck auftretenden Differenzen von der Form H^E haben einfache physikalische Bedeutungen. J7und E sind Energiewerte des- selben Körpers, bezogen auf zwei relativ zueinander bewegte Koordinaten- systeme, wobei der Körper in dem einen System (System (a:, y, z)) ruht. Es ist also klar, daß die Differenz H — E sich von der kinetischen Energie K des Körpers in bezug auf das andere System (System (£, ij, Q) nur durch eine additive Konstante C unterscheiden kann, welche von der Wahl der will- kürlichen additiven Konstanten der Energien H und E abhängt. Wir können also setzen: Hq — Eq^Kq+Cj H^— E^=^ K^ + C , da C sich während der Lichtaussendung nicht ändert. Wir erhalten also: 1 -B^ — Zi = Z V^- (t) -1 Die kinetische Energie des Körpers in bezug auf (|, % ^) nimmt infolge der Lichtaussendung ab, und zwar um einen von den Qualitäten des Körpers unabhängigen Betrag. Die Differenz K^ — K^ hängt femer von der Geschwin- digkeit ebenso ab wie die kinetische Energie des Elektrons (1. c. § 10). Ist die Trägheit eines Körpers von seinem Energieinhalt abhängig? 55 Unter Yemachlässigang von Größen vierter und höherer Ordnung können wir setzen: Aus dieser Gleichung folgt unmittelbar: Gibt ein Körper die Energie L in Form von Strahlung ab^ so verkleinert sich seine Masse um L/V\ Hierbei ist es offenbar unwesentlich^ daß die dem Körper entzogene Energie gerade in Energie der Strahlung übergeht^ so daß wir zu der allgemeineren Folgerung geführt werden: Die Masse eines Körpers ist ein Maß für dessen Energieinhalt; ändert sich die Energie um L, so ändert sich die Masse in demselben Sinne um Z/9 • lO^y wenn die Energie in Erg und die Masse in Grammen gemessen wird. Es ist nicht ausgeschlossen , daß bei Körpern^ deren Energieinhalt in hohem Maße veränderlich ist (z. B. bei den Radiumsalzen), eine Prüfung der Theorie gelingen wird. Wenn die Theorie den Tatsachen entspricht, so überträgt die Strahlung Trägheit zwischen den emittierenden und absorbierenden Körpern. 56 S- Minkowski Baum und Zeit. Von H. Minkowski.*) M. H.! Die Anschauungen über Raum und Zeit, die ich Ihnen ent- wickeln möchte^ sind auf experimentell- physikalischem Boden erwachsen. Darin liegt ihre Stärke. Ihre Tendenz ist eine radikale. Von Stund an sollen Raum für sich und Zeit für sich yöUig zu Schatten herabsinken und nur noch eine Art Union der beiden soll Selbständigkeit bewahren. I. Ich möchte zunächst ausführen, wie man von der gegenwärtig ange- nommenen Mechanik wohl durch eine rein mathematische Überlegung zu veränderten Ideen über Raum und Zeit kommen könnte. Die Gleichungen der Newtonschen Mechanik zeigen eine zweifache Invarianz. Einmal bleibt ihre Form erhalten, wenn man das zugrunde gelegte räumliche Koordinaten- system einer beliebigen Lagenveränderung unterwirft, zweitens, wenn man es in seinem Bewegungszustande verändert, nämlich ihm irgendeine gleich- förmige Translation aufprägt; auch spielt der Nullpunkt der Zeit keine Rolle. Man ist gewohnt, die Axiome der Geometrie als erledigt anzusehen, wenn man sich reif für die Axiome der Mechanik fühlt, und deshalb werden jene zwei Invarianzen wohl selten in einem Atemzuge genannt. Jede von ihnen bedeutet eine gewisse Gruppe von Transformationen in sich für die DifiFeren- tialgleichungen der Mechanik. Die Existenz der ersteren Gruppe sieht man als einen fundamentalen Charakter des Raumes an. Die zweite Gruppe strafb man am liebsten mit Verachtung, um leichten Sinnes darüber hinwegzu- kommen, daß man von den physikalischen Erscheinungen her niemals entschei- den kann, ob der als ruhend vorausgesetzte Raum sich nicht am Ende in einer gleichförmigen Translation befindet. So führen jene zwei Gruppen ein völlig getrenntes Dasein nebeneinander. Ihr gänzlich heterogener Charakter mag davon abgeschreckt haben, sie zu komponieren. Aber gerade die kompo- nierte volle Gruppe als Ganzes gibt uns zu denken auf. Wir wollen uns die Verhältnisse graphisch zu veranschaulichen suchen. Es seien x^y, a rechtwinklige Koordinaten für den Raum, und t bezeichne *) Vortrag, gehalten auf der 80. VerBammlimg DeutBcher Naturforscher nnd Arzte zu Cöln am 21. September 1908. Raum und Zeit 57 die Zeit. Oegenstand unserer Wahrnehmung sind immer nur Orte und Zeiten yerbunden. Es hat niemand einen Ort anders bemerkt als zu einer Zeit; eine Zeit anders als an einem Orte. Ich respektiere aber noch das Dogma^ daß Raum und Zeit je eine unabhängige Bedeutung haben. Ich will einen Raum- punkt zu einem Zeitpunkt, d. i. ein Wertsjstem x, y, z, t einen WeUpunkt nennen. Die Mannigfaltigkeit aller denkbaren Wertsysteme x, y, z, t soU die Wdt heißen. Ich könnte mit kühner Kreide vier Weltachsen auf die Tafel werfen. Schon eine gezeichnete Achse besteht aus lauter schwingenden Mole- külen und macht zudem die Reise der Erde im AU mit, gibt also bereits genug zu abstrahieren auf; die mit der Anzahl 4 verbundene etwas größere Abstraktion tut dem Mathematiker nicht wehe. Um nirgends eine gähnende Leere zu lassen, wollen wir uns vorstellen, daß aller Orten und zu jeder Zeit etwas Wahrnehmbares vorhanden ist. Um nicht Materie oder Elektrizität zu sagen, wiU ich für dieses Etwas das Wort Substanz brauchen. Wir richten unsere Aufmerksamkeit auf den im Weltpunkt x, y, z^ t voThandenen sub- stantiellen Punkt und stellen uns vor, wir sind imstande, diesen substantiellen Punkt zu jeder anderen Zeit wiederzuerkennen. Einem Zeitelement dt mögen die Änderungen dx, dy, dz der Raumkoordinaten dieses substantiellen Punktes entsprechen. Wir erhalten alsdann als Bild sozusagen für den ewigen Lebens- lauf des substantiellen Punktes eine Kurve in der Welt,' eine Wetäinie, deren Punkte sich eindeutig auf den Parameter t von — cx) bis + cx) beziehen lassen. Die ganze Welt erscheint aufgelöst in solche Weltlinien, und ich möchte so- gleich vorwegnehmen, daß meiner Meinung nach die physikalischen Gesetze ihren vollkommensten Ausdruck als Wechselbeziehungen unter diesen Welt- linien finden dürften. Durch die Begriffe Raum und Zeit fallen die x, y, jer- Mannigfaltigkeit ^ =« und ihre zwei Seiten ^ > und ^ < auseinander. Halten wir der Einfachheit wegen den Nullpunkt von Raum und Zeit fest, so bedeutet die zuerst genannte Gruppe der Mechanik, daß wir die x, y, ;gr-Achsen in ^ = einer beliebigen Drehung um den Nullpunkt unterwerfen dürfen, entsprechend den homogenen linearen Transformationen des Ausdrucks x' + y' + z* in sich. Die zweite Gruppe aber bedeutet, daß wir, ebenfalls ohne den Aus- druck der mechanischen Gesetze zu verändern, Xy y, z, t durch x — at, y — ßty z — yt^ t mit irgendwelchen Konstanten cc, ß,y ersetzen dürfen. Der Zeitachse kann hiemach eine völlig beliebige Richtimg nach der oberen halben Welt / > gegeben werden. Was hat nun die Forderung der Orthogonalität im Räume mit dieser völligen Freiheit der Zeitachse nach oben hin zu tun? 58 H. Minkowski Die Verbindung herzustellen; nehmen wir einen positiven Parametern und betrachten das Gebilde Fig. 1. Es besteht aus zwei durch t ^ getrennten Schalen nach Analogie eines zweischaligen Hyperboloids. Wir betrachten die Schale im Gebiete ^ > 0, und wir fassen jetzt diejenigen homogenen linearen Transformationen von Xf y, z, t in vier neue Variable x\ y', z\ t' auf, wobei der Ausdruck dieser Schale in den neuen Variablen entsprechend wird. Zu diesen Transforma- tionen gehören offenbar die Drehungen des Raumes um den Nullpunkt. Ein volles Verständnis der übrigen jener Transformationen erhalten wir hernach bereits, wenn wir eine solche unter ihnen ins Auge fassen, bei der y und z ungeändert bleiben. Wir zeichnen (Fig. 1) den Durchschnitt jener Schale mit der Ebene der x- und der f-Achse, den oberen Ast der Hyperbel c^t^ — o;^ — 1, mit seinen Asym- ptoten. Femer werde ein belie- biger Radiusvektor OÄ' dieses Hyperbelastes vom Nullpunkte aus eingetragen, die Tangente in Ä' an die Hyperbel bis zum Schnitte jB' mit der Asymptote rechts gelegt, OJ^'5' zum Parallelogramm -4' JB'C vervollständigt, endlich für das spätere noch B'C bis zum Schnitt D' mit der x-Achse durchgeführt. Nehmen wir nun OC und OA' als Achsen für ParaUelkoordinaten x', t' mit den Maß- stäben 0(7'=-l, OÄ'=^l/Cy so erlangt jener Hyperbelast wieder den Aus- druck c^t'^ — ic'* = 1, ^' > 0, und der Übergang von ar, yyZ,t zu x , y, 5, t ist eine der fraglichen Transformationen. Wir nehmen nun zu den charak- terisierten Transformationen noch die beliebigen Verschiebungen des Raum- und Zeit-Nullpunktes hinzu und konstituieren damit eine offenbar noch von dem Parameter c abhängige Gruppe von Transformationen, die ich mit G^ bezeichne. Lassen wir jetzt c ins Unendliche wachsen, also l/c nach Null konver- gieren, so leuchtet an der beschriebenen Figur ein, daß der Hyperbelast sich immer mehr der a;-Achse anschmiegt, der Asymptotenwinkel sich zu einem gestreckten verbreitert, jene spezielle Transformation in der Grenze sich in eine solche verwandelt, wobei die ^'- Achse eine beliebige Richtung nach oben haben kann und x' immer genauer sich an x annähert. Mit Rücksicht hierauf ist klar, daß aus der Gruppe G^ in der Grenze für c =- cx), also als Gruppe ö«; eben jene zu der Newtonschen Mechanik gehörige volle Gruppe wird. Bei dieser Sachlage, und da G^ mathematisch verständlicher ist als (r«, hätte wohl ein Mathematiker in freier Phantasie auf den Gedanken verfallen können, daß am Ende die Naturerscheinungen tatsächlich eine Invarianz nicht bei Raum und Zeit 59 der Gruppe G^^y sondern vielmehr bei einer Gruppe G^ mit bestimmtem end- lichen^ nur in den ge wohnlichen Maßeinheiten äußerst großen c besitzen. Eine solche Ahnung wäre ein außerordentlicher Triumph der reinen Mathe- matik gewesen. Nun, da die Mathematik hier nur mehr Treppenwitz be- kundet, bleibt ihr doch die Genugtuung^ daß sie dank ihren glücklichen Antecedentien mit ihren in freier Fernsicht geschärften Sinnen die tief- greifenden Eonsequenzen einer solchen Ummodelung unserer Naturauf- fassung auf der Stelle zu erfassen vermag. Ich will sogleich bemerken, um welchen Wert für c es sich schließlich handeln wird. Für c wird die Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichtes im leeren Räume eintreten. Um weder vom Raum noch von Leere zu sprechen, können wir diese Größe wieder als das Verhältnis der elektromagnetischen und der elektrostatischen Einheit der Elektrizitätsmenge kennzeichnen. Das Bestehen der Invarianz der Naturgesetze für die bezügliche Gruppe G^ würde nun so zu fassen sein: Man kann aus der Gesamtheit der Naturerscheinungen durch sukzessiv gesteigerte Approximationen immer genauer ein Bezugsjstem x, y, z und ty Raum und Zeit, ableiten, mittels dessen diese Erscheinungen sich dann nach bestimmten Gesetzen darstellen. Dieses Bezugsjstem ist dabei aber durch die Erscheinungen keineswegs eindeutig festgelegt. Man kann das Bemgsystem noch entsprechend den Transformationen der genannten Gruppe G^ beliebig ver- ändern, ohne daß der Ausdruck der Naturgesetze sich dabei verändert. Z. B. kann man der beschriebenen Figur entsprechend auch V Zeit be- nennen, muß dann aber im Zusammenhange damit notwendig den Raum durch die Mannigfaltigkeit der drei Parameter x\yyZ definieren, wobei nun die physikalischen Gesetze mittels x'y y, Zy t' sich genau ebenso ausdrücken würden, wie mittels Xy y, z, t. Hiemach würden wir dann in der Welt nicht mehr den Raum, sondern unendlich viele Räume haben, analog wie es im dreidimensionalen Räume unendlich viele Ebenen gibt. Die dreidimensionale Geometrie wird ein Kapitel der vierdimensionalen Physik. Sie erkennen, wes- halb ich am Eingange sagte, Raum und Zeit sollen zu Schatten herabsinken und nur eine Welt an sich bestehen. II. Nun ist die Frage, welche Umstände zwingen uns die veränderte Auf- fassung von Raum und Zeit auf, widerspricht sie tatsächlich niemals den Erscheinungen, endlich gewährt sie Vorteile für die Beschreibuug der Er- scheinungen? Bevor wir hierauf eingehen, sei eine wichtige Bemerkung vorangestellt, fiaben wir Raum und Zeit irgendwie individualisiert, so entspricht einem ruhenden substantiellen Punkte als Weltlinie eine zur ^-Achse parallele Gerade, 60 H. Minkowski einem gleichförmig bewegten substantiellen Punkte eine gegen die f-Achse geneigte Gerade^ einem ungleichförmig bewegten substantiellen Punkte eine irgendwie gekrümmte Weltlinie. Fassen wir in einem beliebigen Weltpunkte Xf y, z, t die dort durchlaufende Weltlinie auf, und finden wir sie dort parallel mit irgendeinem Radiusvektor OA der vorhin genannten hyperboloidischen Schale, so können wir OA als neue Zeitachse einführen, und bei den damit gegebenen neuen Begriffen von Raum und Zeit erscheint die Substanz in dem betreffenden Weltpunkte als ruhend. Wir wollen nun dieses fundamen- tale Axiom einführen: Die in einem heliebigen Wdtpunlie vorJiandene Substanz lann stets bei geeigneter Festsetzung von Raum und Zeit als ruhend aufgefaßt werden. Das Axiom bedeutet, daß in jedem Weltpunkte stets der Ausdruck c^dt^ - dx* - dy^ - dz* positiv ausfällt oder, was damit gleichbedeutend ist, daß jede Geschwindig- keit V stets kleiner als c ausfällt. Es würde danach für alle substantiellen Geschwindigkeiten c als obere Grenze bestehen und hierin eben die tiefere Bedeutung der Größe c liegen. In dieser anderen Fassung hat das Axiom beim ersten Eindruck etwas Mißfälliges. Es ist aber zu bedenken, daß nun eine modifizierte Mechanik Platz greifen wird, in der die Quadratwurzel aus jener Differentialverbindung zweiten Grades eingeht, so daß Fälle mit Über- lichtgeschwindigkeit nur mehr eine Rolle spielen werden, etwa wie in der Geometrie Figuren mit imaginären Koordinaten. Der Anstoß und wahre Beweggrund für die Annahme der Gruppe G^ nun kam daher, daß die Differentialgleichung für die Fortpflanzung von Lichtwellen im leeren Räume jene Gruppe G^ besitzt.*) Andererseits hat der Begriff starrer Körper nur in einer Mechanik mit der Gruppe G^ einen Sinn. Hat man nun eine Optik mit G^, und gäbe es andererseits starre Körper, so ist leicht abzusehen, daß durch die zwei zu G^ und zu G^ ge- hörigen hyperboloidischen Schalen eir^ f-Richtung ausgezeichnet sein würde, und das würde weiter die Konsequenz haben, daß man an geeigneten starren optischen Instrumenten im Laboratorium einen Wechsel der Erscheinungen bei verschiedener Orientierung gegen die Fortschreitungsrichtung der Erde müßte wahrnehmen können. AUe auf dieses Ziel gerichteten Bemühungen, insbesondere ein berühmter Interferenzversuch von Michelson, hatten jedoch ein negatives Ergebnis. Um eine Erklärung hierfür zu gewinnen, bildete H. A. Lorentz eine Hypothese, deren Erfolg eben in der Invarianz der Optik für die Gruppe G^ liegt. Nach Lorentz soll jeder Körper, der eine Bewegung *; Eine wesentliche Anwendung dieser Tatsache findet sich bereits bei W. Voigt, Göttinger Nachr. 1887 S. 41. Raum und Zeit 61 besitzt, in Richtung der Bewegung eine Verkürzung erfahren haben und zwar bei einer Geschwindigkeit v im Verhältnisse :T/l-|;. Diese Hypothese klingt äußerst phantastisch. Denn die Kontraktion ist nicht etwa als Folge von Widerständen im Äther zu denken, sondern rein als Ge- schenk von oben, als Begleitumstand des Umstandes der Bewegung. Ich will nun an unserer Figur zeigen, daß die Lorentzsche Hypothese völlig äquivalent ist mit der neuen Auffassung von Raum und Zeit, wodurch sie viel verständlicher wird. Abstrahieren wir der Einfachheit wegen von y und z und denken uns eine räumlich eindimensionale Welt, so sind ein wie die < -Achse aufrechter und ein gegen die ^- Achse geneigter Parallelstreifen (s. Fig. 1) Bilder für den Verlauf eines ruhenden, bezüglich eines gleichförmig bewegten Körpers, der jedesmal eine konstante räumliche Ausdehnung behält. Ist OA' parallel dem zweiten Streifen, so können wir t' als Zeit und x' als Raumkoordinate einführen, und es erscheint dann der zweite Körper als ruhend, der erste als gleichförmig bewegt. Wir nehmen nun an, daß der erste Körper als ruhend aufgefaßt die Länge l hat, d. h. der Querschnitt PP des ersten Streifens auf der a; -Achse «- Z- OC ist, wo OC den Einheitsmaß- stab auf der rr -Achse bedeutet, und daß andererseits der zweite Körper als ruhend aufgefaßt die gleiche Länge { hat; letzteres heißt dann, daß der parallel der x' -Achse gemessene Querschnitt des zweiten Streifens Q'Q'^l- OC ist. Wir haben nunmehr in diesen zwei Körpern Bilder von zwei gleichen Lorentz- schen Elektronen, einem ruhenden und einem gleichförmig bewegten. Halten wir aber an den ursprünglichen Koordinaten x, t fest, so ist als Ausdehnung des zweiten Elektrons der Querschnitt QQ seines zugehörigen Streifens parallel der x-Adise anzugeben. Nun ist offenbar, da Q' Q'=l' OC ist, QQ = l' 0D\ Eine leichte Rechnung ergibt, wenn dxjdt für den zweiten Streifen = t; ist, OD'^ OC-j/l-^, also auch PP: ö^ = 1 :]/l - ^• Dies ist aber der Sinn der Lorentzschen Hypothese von der Kontraktion der Elektronen bei Bewegung. Fassen wir andererseits das zweite Elektron als ruhend auf, adoptieren also das Bezugsystem :r', t\ so ist als Länge des ersten der Querschnitt P'P' seines Streifens parallel OC zu bezeichnen, und wir würden in genau dem nämlichen Verhältnisse das erste Elektron gegen das zweite verkürzt finden; denn es ist in der Figur P'P'.Q'Q'^ OD:OC= OD'iOC^ QQ:PP. Lorentz nannte die Verbindung f von x und t Ortszeit des gleichförmig bewegten Elektrons und verwandte eine physikalische Konstruktion dieses Begriffs zum besseren Verständnis der Kontraktionshypothese. Jedoch scharf Math. Monogr. S: Einstein, Lorentz, Minkowski: BeUtiritäteprinsip. 5 62 H. Minkowski erkannt zu haben, daß die Zeit des einen Elektrons ebenso gut wie die des anderen ist, d. h. daß t und f gleich zu behandeln sind, ist erst das Verdienst Yon A. Einstein.^) .Damit war nun zunächst die Zeit als ein durch die Er- scheinungen eindeutig festgelegter Begriff abgesetzt. An dem Begriffe des Raumes rüttelten weder Einstein noch Lorentz, vielleicht deshalb nicht, weil bei der genannten speziellen Transformation, wo die x\ ^'-Ebene sich mit der X, t-Ehene deckt, eine Deutung möglich ist, als sei die o: -Achse des Raumes in ihrer Lage erhalten geblieben. Über den Begriff des Raumes in entsprechender Weise hinwegzuschreiten, ist auch wohl nur als Verwegen- heit mathematischer Kultur einzutaxieren. Nach diesem zum wahren Ver- ständnis der Gruppe G^ jedoch unerläßlichen weiteren Schritt aber scheint mir das Wort BeUUiviiMspostuloit für die Forderung einer Invarianz bei der Gruppe G^ sehr matt. Indem der Sinn des Postulats wird, daß durch die Erscheinungen nur die in Raum und Zeit vierdimensionale Welt gegeben ist, aber die Projektion in Raum und in Zeit noch mit einer gewissen Frei- heit vorgenommen werden kann, möchte ich dieser Behauptung eher den Namen Postulat der absoluten Welt (oder kurz Weltpostulat) geben. in. Durch das Weltpostulat wird eine gleichartige Behandlung der vier Be- stimmungsstücke x,y,e,t möglich. Dadurch gewinnen, wie ich jetzt aus- führen will, die Formen, unter denen die physikalischen Gesetze sich ab- spielen, an Verständlichkeit. Vor allem erlangt der Begriff der Beschleunigung ein scharf hervortretendes Gepräge. Ich werde mich einer geometrischen Ausdrucksweise bedienen, die sich sofort darbietet, indem man im Tripel a;, y, £^ stillschweigend von abstrahiert. Einen beliebiffen Welt- punkt denke ich zum Raum - Zeit - Nullpunkt gemacht. Der Kegei mit als Spitze (Fig. 2) besteht aus zwei Teilen, einem mit Werten <<0, einem anderen mit Werten ^ > 0. Der erste, der Vorkegel von 0, besteht, sagen wir, aus allen Weltpunkten, die „Licht nach senden", der zweite, der Nachkegd von 0, aus allen Weltpunkten, die „Licht von empfangen". Das vom Vorkegel allein begrenzte Gebiet mag diesseits von 0, das vom Nach- ♦) A. Einstein, Ann. d. Phjs. 17 (1905) S. 891; Jahrb. d. Radioaktivität u. Elek- tronik 4 (1907) S. 411. Fig. 2. k Raum und Zeit 63 kegel allein begrenzte jenseits von heißen. Jenseits fällt die schon be- trachtete hyperboloidische Schale Das Gebiet awischen den Kegeln wird erfüllt von den einschaligen hyper- boloidischen Gebilden -F^x^ + y^ + z^- cH^ = Ä« zu allen konstanten positiven Werten Ä*. Wichtig sind für uns die Hyperbeln mit als Mittelpunkt, die auf den letzteren Gebilden liegen. Die einzelnen Äste dieser Hyperbeln mögen kurz die Zunschenhyperbdn zum Zentrum heißen. Ein solcher Hyperbelast würde, als Weltlinie eines substantiellen Punktes gedacht, eine Bewegung repräsentieren, die für ^ =« — oo und ^ = -|- oo asymptotisch auf die Lichtgeschwindigkeit c ansteigt. Nennen wir in Analogie zum VektorbegriflF im Räume jetzt eine ge- richtete Strecke in der Mannigfaltigkeit der x, y, z, t einen Vektor, so haben wir zu unterscheiden zwischen den zeitartigen Vektoren mit Richtungen von nach der Schale +F = 1, ^ > und den raumartigen Vektoren mit Richtungen von nach —F=l. Die Zeitachse kann jedem Vektor der ersten Art parallel laufen. Ein jeder Weltpunkt zwischen Vorkegel und Nach- kegel von kann durch das Bezugsystem als gleichzeitig mit 0, aber ebenso- gut auch als früher als oder als später als eingerichtet werden. Jeder Weltpunkt diesseits ist notwendig stets früher, jeder Weltpunkt jenseits notwendig stets später als 0. Dem Grenzübergang zu o — cx) würde ein völliges Zusammenklappen des keUförmigen Einschnittes zwischen den Eegehi in die ebene Mannigfaltigkeit t^O entsprechen. In den gezeichneten Figuren ist dieser Einschnitt absichtlich mit verschiedener Breite angelegt. Einen beUebigen Vektor, wie von nach x, y, z, t, zerlegen wir in die vier Komponenten x, y, z, t. Sind die Richtungen zweier Vektoren beziehungs- weise die eines Radiusvektors OB von an eine der Flächen T jF =* 1 und dazu einer Tangente BS im Punkte B der betreffenden Fläche, so soUen die Vektoren normal zueinander heißen. Danach ist c^tt^ — xx^ — yyi — zzi=^0 die Bedingung dafür, daß die Vektoren mit den Komponenten x, y, z, t und x^y y^, Zi, t^ normal zueinander sind. Für die Beträge von Vektoren der verschiedenen Richtungen sollen die Einheitsmaßstäbe dadurch fixiert sein, daß einem raumartigen Vektor von nach —F=^l stets der Betrag 1, einem zeitartigen Vektor von nach + F ^l, t> stets der Betrag 1/c zugeschrieben wird. Denken wir uns nun in einem Weltpunkte P{Xy y, z, t) die dort durch- laufende Weltlinie eines substantiellen Punktes, so entspricht danach dem 64 S- MiXKOWSKI zeitartigen Vektorelement dx, dy, dz, dt im Fortgang der Linie der Betrag dr = -■ yc^dJ^'^dx^^^dJ'^'^d^. Das Integral fdx =» r dieses Betrages, auf der Weltlinie von irgendeinem fixierten Ausgangspunkte Pq bis zu dem variablen Endpunkte P geführt, nennen wir die Eigenzeit des substantiellen Punktes in P. Auf der Welt- linie betrachten wir x, y, z, t, d. s. die Komponenten des Vektors OP, als Funk- tionen der Eigenzeit r, bezeichnen deren erste DiflFerentialquotienten nach r mit X, ijy z, ty deren zweite Diiferentialquotienten nach r mit ä", y, z, t und nennen die zugehörigen Vektoren, die Ableitung des Vektors OP nach t den Bewegungsvektor in P und die Ableitung dieses Bewegungsvektors nach r den Beschleunigiingsvelctor in P. Dabei gilt C't^ — i* — ?/- — i^ = c*, • • • c'^ft — XX — yy — zz = v, d. h. der Bewegungsvektor ist der zeitartige Vektor in Richtung der Welt- linie in P vom Betrage 1, und der Beschleunigungsvektor in P ist normal zum Bewegungsvektor in P, also jedenfalls ein raumartiger Vektor. Nun gibt es, wie man leicht einsieht, einen bestimmten Hyperbelast, der mit der Weltlinie in P drei unendlich benachbarte Punkte gemein hat und dessen Asymptoten Erzeugende eines Vorkegels und eines Nachkegels sind (s. unten Fig. 3). Dieser Hyperbelast heiße die Kmmmtingshyperbel in P. Ist M das Zentrum dieser Hyperbel, so handelt es sich also hier um eine Zwischenhyperbel zum Zentrum M. Es sei q der Betrag des Vektors MP^ so erkennen wir den Beschleunigungsvektor in P als den Vektor in Richtung MP vom Betrage c^/q. Sind i, f/, z, i sämtlich Null, so reduziert sich die Krümmungshyperbel auf die in P die Weltlinie berührende Gerade, und es ist p = cx> zu setzen. IV. Um darzutun, daß die Annahme der Gruppe G^ für die physikalischen Gesetze nirgends zu einem Widerspruche führt, ist es unumgänglich, eine Revision der gesamten Physik auf Grund der Voraussetzung dieser Gruppe vorzunehmen. Diese Revision ist bereits in einem gewissen Umfange erfolg- reich geleistet für Fragen der Thermodynamik und Wärmestrahlung*), für die elektromagnetischen Vorgänge, endlich für die Mechanik unter Aufrecht- erhaltung des MassenbegriflFes.**) *) M. Planck, Zur Dynamik bewegter Systeme, Berliner Ber. 1907 S. 642 (auch Ann. d. Phyg. 26 (1908) S. 1). **) H. Minkowski, Die Grundgleichungen für die elektromagnetischen Vorgänge in bewegten Körpern, Göttinger Nachr. 1908 S. 58. Baum und Zeit 65 Für letzteres Gebiet ist vor allem die Frage aufzuwerfen: Wenn eine Kraft mit den Komponenten X, Yy Z nach den Raumachsen in einem Welt- punkte P{x, y, z, t) angreift, wo der Bewegungsvektor i, y, i, t ist, als welche Kraft ist diese Kraft bei einer beliebigen Änderung des Bezugsystemes auf- zufassen? Nun existieren gewisse erprobte Ansätze über die ponderomoto- rische Kraft im elektromagnetischen Felde in den Fällen, wo die Gruppe G^ unzweifelhaft zuzulassen ist. Diese Ansätze führen zu der einfachen Regel: Bei Änderung des Bezugsystemes ist die vorausgesetzte Kraft derart als Kraft in den neuen Baumkoordinaten anzusetzen, daß dabei der zugehörige Vektor mit den Komponenten ix, iY, iz, tT, wo die durch c* dividierte Arbeitsleistung der Kraft im Weltpunkte ist, sich unver- ändert erhält. Dieser Vektor ist stets normal zum Bewegungsvektor in P. Ein solcher, zu einer Kraft in P gehörender Kraftvektor soll ein betvegender Kraftvektor in P heißen. Nun werde die durch P laufende Weltlinie von einem substantiellen Punkte mit konstanter mechanischer Masse m beschrieben. Das m-fache des Bewegungs Vektors in P heiße der Impulsvektor in P, das m-fache des Be- BchleuniguDgsvektors in P der Kraftvektor der Bewegung in P. Nach diesen Definitionen lautet das Gesetz dafür, wie die Bewegung eines Massenpunktes bei gegebenem bewegenden Kraftvektor statthat:*) Ber Kraftvektor der Bewegung ist gleich dem bewegenden Kraftvektor. Diese Aussage faßt vier Gleichungen für die Komponenten nach den vier Achsen zusammen, wobei die vierte, weil von vornherein beide genannten Vektoren normal zum Bewegungsvektor sind, sich als eine Folge der drei ersten ansehen läßt. Nach der obigen Bedeutung von T stellt die vierte zweifellos den Energiesatz dar. Als kinetische Energie des Massenpunktes ist daher das c^- fache der Komponente des Imptdsveliors nach der t- Achse zu definieren. Der Ausdruck hierfür ist 2 ^* .«..2 mc* -j- = WC* l/l — A-, dt I Y c* ' d. i. nach Abzug der additiven Konstante wo* der Ausdruck \mv^ der New- tonschen Mechanik bis auf Größen von der Ordnung 1/c^ Sehr anschaulich erscheint hierbei die Abhängigkeit der Energie vom Bezugsysteme. Da nun aber die ^ -Achse in die Richtung jedes zeitartigen Vektors gelegt werden *) H. Minkowski, a. a. 0. p. 107. — Vgl. auch M. Planck, Verh. d. Physik. Ges. 4 (1Ü06) S. 136. 66 H. Minkowski kann^ so enthält andererseits der Energiesatz^ für jedes mögliehe Bezug- system gebildet, bereits das ganze System der Bewegungsgleichungen. Diese Tatsache behält bei dem erörterten Grenzübergang zu o = cx) ihre Bedeutung auch für den axiomatischen Aufbau der Newtonschen Mechanik und ist in solchem Sinne bereits von Herrn I. R. Schütz*) wahrgenommen worden. Man kann von vornherein das Verhältnis von Längeneinheit und Zeitein- heit derart festlegen, daß die natürliche Geschwindigkeitsschranke c— 1 wird. Führt man dann noch }/— 1 • ^ = s an Stelle von ^ ein, so wird der quadra- tische Dififerentialausdruck also völlig symmetrisch in x^ y, z, Sj und diese Symmetrie überträgt sich auf ein jedes Gesetz, das dem Weltpostulate nicht widerspricht. Man kann danach das Wesen dieses Postulates mathematisch sehr prägnant in die mystische Formel kleiden: 3.10* km -j/- 1sek. V. Die durch das Weltpostulat geschaffenen Vorteile werden vielleicht durch nichts so schlagend belegt wie durch Angabe der von einer beliebig "bewegten punktförmigen Ladung nach der Maxwell- Lorentzschen Theorie ausgehenden Wir- kungen. Denken wir uns die Weltlinie ^^ eines solchen punktförmigen Elektrons mit der Ladung e und führen auf ihr die Eigen- zeit T ein von irgendeinem Anfangspunkte aus. Um das vom Elektron in einem be- liebigen Weltpunkte P^ veranlaBte Feld zu haben, konstruieren wir den zu P^ ge- hörigen Vorkegel (Fig. 4). Dieser trifft die unbegrenzte Weltlinie des Elektrons, weil deren Richtungen überall die von zeit- artigen Vektoren sind, offenbar in einem einzigen Punkte P. Wir legen in P an die Weltlinie die Tangente und konstruieren durch P^ die Normale P^ Q auf diese Tan- gente. Der Betrag von P^ Q sei r. Als der Betrag von TQ ist dann gemäß der Definition eines Vorkegels rjc zu rechnen. Nim stellt der Vektor in Rich- tung PQ vom Betrage e/r in seinen Komponenten nach den x-, y-, is -Achsen *) I. R. Schütz, Das Prinzip der absoluten Erhaltung der Energie, Göttinger Nachr. 1897 S. HO. ,Fig. 8. Plg. 4. /^ Raum und Zeit 67 das mit c multiplizierte Vektorpotential y in der Komponente tmch der t-Ächse das skaiare Potential des von e erregten Feldes für den Weltpunkt P^ vor. Hierin liegen die von A. Lienard und von E. Wiechert aufgestellten Elemen- targesetze.*) Bei der Beschreibung des vom Elektron hervorgerufenen Feldes selbst tritt sodann hervor^ daß die Scheidung des Feldes in elektrische und magne- tische Kraft eine relative ist mit Rücksicht auf die zugrunde gelegte Zeit- achse; am übersichtlichsten sind beide Kräffce zusammen zu beschreiben in einer gewissen, wenn auch nicht völligen Analogie zu einer Krafbschraube der Mechanik. Ich will jetzt die von einer Idiebig lewegten punktförmigen Ladung auf eine andere beliebig bewegte punktförmige Ladung ausgeübte ponderomotorische Wirkung beschreiben. Denken wir uns durch den Weltpunkt P^ die Welt- linie eines zweiten punktförmigen Elektrons von der Ladung e^ führend. Wir bestimmen P, Q,r wie vorhin, konstruieren sodann (Fig. 4) den Mittelpunkt ilf der Krümmungshyperbel in P, endlich die Normale MN von M aus auf eine durch P parallel zu QP^ gedachte Gerade. Wir legen nun, mit P als Anfangs- punkt, ein Bezugsystem folgendermaßen fest, die ^- Achse in die Richtimg PQ, die a;- Achse in die Richtung QPi, die y-Achse in die Richtung MN, womit schließlich auch die Richtung der ;er-Achse als normal zu den ^, x-, j/-Achsen bestimmt ist. Der Beschleimigungsvektor in P sei Xy y, z, t, der Bewegungs- vektor in P^ sei ^iyifif^i,t^. Jetzt lautet der von dein ersten beliebig bewegten Elektron e auf das zweite beliebig bewegte Elektron e^ in Pj ausgeübte be- wegende Kraftvektor: tvobei für die Komponenteti Ji,, S^, S,, Ä^ des Vektors S die drei Relationen bestehen: und viertens dieser Vektor Ä normal zum Bewegungsvektor in P^ ist und durch diesen Umstand allein in Abhängigkeit von dem letzteren Bewegungsvektor steht. Vergleicht man mit dieser Aussage die bisherigen Formulierungen**) des nämlichen Elementargesetzes über die ponderomotorische Wirkung bewegter punktförmiger Ladungen aufeinander, so wird man nicht umhin können zu- zugeben, daß die hier in Betracht kommenden Verhältnisse ihr inneres Wesen *) A. Lienard, Champ ^lectrique et magn^tique pioduit par une Charge concen- träe en un point et anim^e d^un mouvement quelconque, L'£clairage ^lectrique 16 (1898) S. 5, 53, 106; E. Wiechert, Elektrodynamische Elementargesetze, Arch. n^erl. (2) 6 (1900) S.649. *•) K. Schwarzschild, Göttinger Nachr. 1908 S. 132; H. A. Lorentz, Enzykl. d. math. Wissensch. V, Art. 14, S. 199. 68 H. Minkowski voller Einfachheit erst in vier Dimensionen enthüllen, auf einen von vorn- herein aufgezwungenen dreidimensionalen Raum aber nur eine sehr ver- wickelte Projektion werfen. In der dem Weltpostulate gemäß reformierten Mechanik fallen die Dis- harmonien, die zwischen der Newtonschen Mechanik und der modernen Elek- trodynamik gestört haben, von selbst aus. Ich will noch die Stellung des Newtonschen Attraktionsgesetzes zu diesem Postulate berühren. Ich will annehmen, wenn zwei Massenpunkte m, m^ ihre Weltlinien beschreiben werde von m auf m^ ein bewegender Kraftvektor ausgeübt genau von dem soeben im Falle von Elektronen angegebenen Ausdruck, nur daß statt — ee^ jetzt + mWi treten soll. Wir betrachten nun speziell den Fall, daß der Be- schleunigungsvektor von m konstant Null ist, wobei wir dann t so einführen mögen, daß m als ruhend aufzufassen ist, und es erfolge die Bewegung von m^ allein mit jenem von m herrührenden bewegenden Kraftvektor. Modifizieren wir nun diesen angegebenen Vektor zunächst durch Hinzusetzen des Faktors ^"^="1/1— , , der bis auf Größen von der Ordnung 1/c^ auf 1 hinaus- kommt, so zeigt sich*), daß für die Orte x^, y^, z^ von m^ und ihren zeit- lichen Verlauf genau wieder die Keplerschen Gesetze hervorgehen würden, nur daß dabei an Stelle der Zeiten t^ die Eigenzeiten Tj von m^ eintreten würden. Auf Grund dieser einfachen Bemerkung läßt sich dann einsehen, daß das vorgeschlagene Anziehungsgesetz verknüpft mit der neuen Mechanik nicht weniger gut geeignet ist die astronomischen Beobachtungen zu er- klären als das Newtonsche Auziehungsgesetz verknüpft mit der Newtonschen Mechanik. Auch die Grundgleichungen für die elektromagnetischen Vorgänge in ponderablen Körpern fügen sich durchaus dem Weltpostulate. Sogar die von Lorentz gelehrte Ableitung dieser Gleichungen auf Grund von Vorstellungen der Elektronentheorie braucht zu dem Ende keineswegs verlassen zu werden, wie ich anderwärts zeigen werde. Die ausnahmslose Gültigkeit des Weltpostulates ist, so möchte ich glauben, der wahre Kern eines elektromagnetischen Weltbildes, der von Lorentz getroffen, von Einstein weiter herausgeschält, nachgerade vollends am Tage liegt. Bei der Fortbilduug der mathematischen Konsequenzen werden genug Hinweise auf experimentelle Verifikationen des Postulates sich einfinden, um auch diejenigen, denen ein Aufgeben altgewohnter Anschau- ungen unsympathisch oder schmerzlich ist, durch den Gedanken an eine prästabilierte Harmonie zwischen der reinen Mathematik und der Physik auszusöhnen. •) H. Minkowski, a. a. 0. S. 110. Raum nnd Zeit 69 Anmerkungen. Von A. Sommerfeld. Es ist selbstverBtändlicb, daß bei der Nenheransgabe Ton Minkowskis Raum und Zeit kein Wort des Textes verändert werden durfte. Ich habe mich auch gescheut, durch Hinweise auf die hier folgenden Anmerkungen den Genuß des Lesers zu stören. Diese Anmerkungen selbst sind keineswegs wesentlich; sie bezwecken nichts anderes, als kleine formal-mathematische Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen, die dem Eindringen in die großen Gedanken Minkowskis im Wege stehen könnten. Auf die an Minkowski anschließende Literatur ist nur soweit hingewiesen, als sie in unmittel- barer Beziehung zu dem Gegenstande dieses Vortrages steht. Sachlich ist von dem, was Minkowski hier sagt, heute, vier Jalire nach seinem Tode, vom physikalischen Standpunkte aus meiner Meinung nach kein Wort zurückzunehmen und kaum etwas hinzuzufügen; wie man sich erkenntnis-theoretisch zu Minkowskis Auffassung des Raum-Zeit-Problems stellen will, ist eine andere Frage, aber wie mir scheint eine Frage, die den physikalischen Sachverhalt nicht wesentlich berührt. Den nächsten großen Fortschritt in der Relativitätstheorie erwarten wir von der Einordnung der Gravitation; bis hierüber die Ansichten geklärt sind, läßt sich nicht übersehen, ob wesentliche Änderungen an den Anschauungen Minkowskis nötig sein werden. 1) S. 60 Z. 13 V. u. „Andererseits hat der Begriff starrer Körper nur in der Mechanik mit der Gruppe G^ einen Sinn^^ Dieser Satz ist in einer Diskussion, die ein Jahr nach Minkowskis Tode im Anschluß an eine Arbeit seines Schülers M. Born entstand, in weitestem Umfange bestätigt worden. M. Born hatte (Ann. d. Phys. 80 (1909) S. 1) als relativ- starren Körper einen solchen definiert, von dem jedes Volumelement auch bei beschleunigten Bewegungen die zu seiner Geschwindigkeit gehörige Lorentz-Kon- traktion erfährt. Ehrenfest zeigte (Phys. Zeitschr. 10 (1909) S. 918), daß ein solcher Körper nicht in Rotation versetzt werden kann. Herglotz (Ann. d. Phys. 81 (1910) S. 398) und F. Nöther (Ann. d. Phys. 31 (1910) S. 919), daß er nur drei Grade der Bewegungs- freiheit hat. Es wurde auch versucht, einen relativ-starren Körper von sechs oder neun Freiheitsgraden zu definieren. Demgegenüber äußerte Planck (Phys. Zeitschr. 11 (1910) S. 294) die Ansicht, daß die Relativitätstheorie nur mit mehr oder minder elasti- schen Körpern operieren könne, und Laue bewies (Phys. Zeitschr. 12 (1911) S. 48) mit den Methoden Minkowskis, im Anschluß an die Fig. 2 dieses Vortrages, daß in der Relativitätstheorie jeder feste Körper unendlich viele Freiheitsgrade haben müsse. Schließlich hat Herglotz (Ann. d. Phys. 36 (1911) S. 468) eine relativistische Elastizi- tätstheorie entwickelt, nach welcher elastische Spannungen immer dann auftreten, wenn der Körper sich nicht relativ-starr im Bomschen Sinne bewegt. Der relativ- starre Körper spielt also in dieser Elastizitätstheorie dieselbe Rolle wie der gewöhn- liche starre Körper in der gewöhnlichen Elastizitätstheorie. 2) Zu S. 61 Z. 12 V. u. „Eine leichte Rechnung ergibt . . . OB'^ OCyi — \ ". Es sei in Fig. 1 a=^^ÄOA, ß=' , OB -■/ r* OA = — .=: oder -^^-7 = 1/ 1 — -y • Dies liefert zusammen mit i^4) die Proportion OD'OÄ^OB'.OA, welche wegen OJL'=» OC und OA = 0C mit der S. 61 Z. 4 t. u. benutzten OD'.OC^OD'iOC identisch ist. 8) S. 68 Z. 18 V. o. „Ein jeder Weltpunkt zwischen Vorkegel und Nachkegel von kann durch das Bezugäsvstem als gleichzeitig mit 0, aber ebensogut auch als früher als oder später als eingerichtet werden'\ Hierauf führt M. Laue den Beweis des Einätoinschen Satzes zurück (Phyv. Zeitschx. 12 <19il) S. 4d): In der Relativitätstheorie kann kein Vorgang kausaler Verknüpfung mit Überlichtgeschwindigkeit fortgepflanzt werden („Signalgeschwindigkeit ^c*'). Angenommen ein Ereignis verursache ein anderes Ereignis P und angenommen der Weltpunkt P liege im Zwischengebiete von 0. In diesem Falle würde die Wirkung von nach P mit Überlichtgeschwindigkeit über- tragen worden sein, relativ zu dem betrachteten Bezugssystem x, f, in dem natürlich die Wirkung P als später wie die Ursache angenommen werde, tp^O. Nun kann man aber nach dem vorangestellten Zitat das Bezugssystem abändern, sodaß P früher als zu liegen kommt, d. h. man kann ein System x\t' auf unendlich viele Arten HU wählen, daß tp<^0 wird. Das ist unverträglich mit der Vorstellung der Kau- salität; also muß P entweder „jenseits von 0^' oder auf dem Nachkegel von liegen, d. h. die Fortpflanzungsgeschwindigkeit eines von aus zu betätigenden Signals, welches im Weltpunkte P ein zweites Ereignis zur Folge haben soll, muß notwendig ^ c sein. (Natürlich kann man auch in der Relativitätstheorie Vorgänge definieren, ». H. geometrisch in sehr einfacher Art, die mit Überlichtge8ch^vindigkeit fortschreiten; Molühe Vorgänge können aber niemals als Signale dienen, d. h. es ist unmöglich, sie uach Willkür einzuleiten und mit ihnen an einem entfernten Ort z. B. ein Relais in Uang zu setzen. So kann es z. B. optische Medien geben, in denen die „lichtge- sohwiudigkeit*' ^c ist. Dabei ist aber unter Lichtgeschwindigkeit verstanden die Fortpflanzung der Phasen in einem unendlichen periodischen Wellenzug. Zum Signa- Raum und Zeit 71 lisieren kann diese niemals dienen. Dagegen pflanzt sich der Kopf einer Welle unter allen Umständen und bei beliebiger Beschaffenheit des optischen Mediums mit der Geschwindigkeit c fort; vgl. z. B. A. Sommerfeld, Festschrift Heinrich Weber (Leipzig (Teubner) 1912) S. 888.) 4) S. 64 Z. 2 y. o. Wie Minkowski gelegentlich zu mir bemerkte, ist das Ele- ment der Eigenzeit dt kein vollständiges Differential. Verbindet man also zwei Welt- punkte und P durch zwei verschiedene Weltlinien 1 und 2, so ist fdr+fdr. 1 a Verläuft 1 parallel der t-Achse, sodaß der erste Obergang im zu Grunde gelegten Bezugssystem die Ruhe bedeutet, so ist ersichtlich Jdt^t, fdt<,t. 1 s Hierauf beruht das von Einstein hervorgehobene Nachgehen der bewegten Uhr gegen die Tuhende. Dieser Aussage liegt, wie Einstein hervorgehoben hat, die (unbeweis- bare) Annahme zu Grunde, daß die bewegte Uhr tatsächlich die Eigenzeit anzeigt, d. h. jeweils diejenige Zeit gibt, die dem stationär gedachten, augenblicklichen Ge- schwindigkeitszustand entspricht. Die bewegte Uhr muß natürlich, damit sie mit der ruhenden im Weltpunkte P verglichen werden kann, beschleunigt (mit Geschwindig- keits- oder Richtungsänderungen) bewegt worden sein. Das Nachgehen der bewegten Uhr zeigt also nicht eigentlich „Bewegung^^, sondern „beschleunigte Bewegung*^ an. Ein Widerspruch gegen das Relativitötsprinzip selbst liegt daher nicht vor. 5) S. 64 Z. 20 V. 0. Die Bezeichnung Krümmungshyperbel ist dem elementaren Begriff des Krümmungskreises genau nachgebildet. Die Analogie wird zur analytischen Identität, wenn man statt der reellen Zeitkoordinate t die imaginäre l^=ict benutzt, also das c- fache der von Minkowski S. 66 benutzten Koordinate 8. Nach S. 62 hat eine Zwischenhyperbel in der o;,^ -Ebene die Gleichung ar« — c*<* = p« (mit ^• = p), also in der rc,Z -Ebene rc«-f 7« = p«. Sie kann daher in Parameterdarstellung geschrieben werden, wenn q> einen rein- imaginären Winkel bedeutet: x^= Q cos qp , Z =» p sin 9 . Man kann hiernach die Hyperbelbewegung, wie ich Ann. d. Phys. 38 S. 649, § 8 vor- schlug, auch als „zyklische Bewegung^^ bezeichnen, wodurch ihre Haupteigenschaften (Mitfühnmg des Feldes, Auftreten einer Art Zentrifugalkraft) besonders deutlich ge- kennzeichnet werden. Für die Hyperbelbewegung ist also dr=- y dV c ^ .dx^^^ d(p , c dx X =s , - = — IC smqp, dt i dl l =» ,- == + tC cos qp dt dx c' .r ^^ ^cosy. Y d) c« . dt Q Der Betrag des Beschleunigungsvektors bei der Hyperbel bewegung ist daher c^/q. Da eine beliebig vorgegebene Weltlinie von der Krümmungshyperbel dreipunktig be- 72 H. Minkowski riihrt wird, hat jene mit der Hyperbelbew^gung den Beschleunignngsvektor und deren Betrag c^Iq gemein, wie S. 64 Z. 10 v.u. angegeben. Der Mittelpunkt M der zyklischen Bewegung rc* + Z*^p* ist erflichtlich der Punkt rc^O, ? = 0, und es haben alle Punkte der Hyperbel von diesem Mittelpunkte den konstanten ^^Abstand^^ p, d. h. einen konstanten Betrag des Radiusvektors, q be- deutet daher die in Fig. 8 eingezeichnete Strecke MP. 6) S. 66 Z. 11 v.o. Daß man die Kraft X, Y, Z, um sie zu einem „Kraftvektor** zu ergänzen, mit t==^dt/dt zu multiplizieren hat, erkennt man so: Nach Minkowski ist der Impulsvektor (S. Co Z. 20 v. o.) definiert durch ynx, my^ mz, mt. m bedeutet die „konstante mechanische Masse** oder, wie Minkowski an anderer Stelle noch deutlicher sagt, die „Ruhmasse**. Hält man an dem Newtonschen Bewegungs- gesetze fest (zeitliche Änderung des Impulses gleich Kraft), so hat man zu setzen d d d -^mx=X, -z-my^=Y, -^^mz=^Z. dt dt ^ dt m Multiplikation mit t macht die linken Seiten zu Vektorkomponenten im Sinne Min- kowskis. Daher sind auch tX, tY^ tZ die drei ersten Komponenten des „Kraftvek- tors**. Die vierte Komponente T folgt dann eindeutig aus der Forderung, daß der Kraftvektor zum Bewegungsvektor normal sein soll. Die Minkowskischen Gleichungen fQr die Mechanik des Massenpunktes lauten daher (bei konstanter Ruhmasse): • • • • • • wijc-stX, my = tY^ in'z = tZ, mt = tT. Übrigens läßt sich die Annahme von der Konstanz der Ruhmasse nur aufrecht halten, wenn der Energieinhalt des Körpers bei der Bewegung nicht geädert wird (wenn diese in der Bezeichnung von Planck „adiabatisch und isochorisch** erfolgt). 7) S. 66 und 67. Das Charakteristische an den hier angegebenen Konstruktionen ist ihre völlige Unabhängigkeit von einem speziellen Bezugssystem. Sie geben, wie es Minkowski S. 57 postuliert, „Wechselbeziehungen unter den Weltlinien** (oder Welt- punkten) als „vollkommensten Ausdruck der physikalischen Gesetze**. Auf die Koordi- natenachsen a;i/ ff wird z.B. S. 66 unten bei dem elektrodynamischen Potential („Yierer- potential**) erst dann Bezug genommen, wenn dasselbe (in konventioneller Weise) in einen skalaren und Yektorteil zerlegt werden soll, welchen Teilen aber vom rela- tivistischen Standpunkte aus keine selbständige, invariante Bedeutung zukommt. Als Kommentar zu Minkowski habe ich (Ann. d. Phys. 33 (1910) S. 049, § 7) eine invariante analytische Darstellung für das Viererpotential und für die ponderomoto- rische Wirkung zwischen zwei Elektronen aus den Mazwellschen Gleichungen nach den Minkowskischen Methoden abgeleitet, w^elche die in Rede stehenden Konstruk- tionen Minkowskis umschreiben. Da eine genaue Begründung derselben hier zu weit führen würde, sei auf jene Darstellung oder auf die entsprechenden Ausführungen bei M. Laue (Das Relativitätsprinzip (Braunschweig (Vieweg) 1918) § 19) hingewiesen. 8) S. 67 Z. 5 V. 0. Die invariante Darstellung des elektromagnetischen Feldes als „Vektor zweiter Art** (wofür ich die, wie es scheint, sich einbürgernde Bezeichnung „Sechservektor** vorgeschlagen habe), bildet einen besonders bedeutsamen Teil der Minkowskischen Auffassung der Elektrodynamik. Während Minkowskis Ideen in dem Begriff des Vektors erster Art („Vierervektor**) teilweise schon von Poincare (Rend. Circ. Mat. Palermo 21 (1906)) vorweggenommen waren, ist die Einführung des Sechser- vektors bei Minkowski neu und wesentlich. Ebenso wie der Sechservektor hängt die Kraftschraube der Mechanik (Inbegriff einer Einzelkraft und eines Kräftepaares) von 6 Raum und Zeit 73 unabhängigen Parametern ab; ebenso wie bei dem elektromagnetischen Felde ^^die Scheidung in elektrische und magnetische Kraft eine relative ist*^, läßt sich bekannt- lich bei der Eraftschiaube die Zerlegung in Einzelkraft und Eräftepaar in sehr mannigfacher Weise bewerkstelligen. 9) S. 68 Abs. 1. Minkowskis relativistische Form des Newtouschen Gesetzes sub- sumiert sich für den besonderen, im Text hervorgehobenen Fall verschwindender Be- schleunigung unter die allgemeinere Form, die Poincart^ (in der soeben zitierten Arbeit) vorgeschlagen hat; sie geht andererseits in der Berücksichtigung der Beschleunigung über diese hinaus. Wie aus Minkowskis oder Poincares Formulierung des Gravitations- gesetzes hervorgeht, ist es (auf mannigfache Art) möglich, das Newtonsche Gesetz mit der Kelativitätstheorie zu versöhnen. Dieses Gesetz wird dabei als Punktgesetz, die Gravitation also gewissermaßen als Femwirkung aufgefaßt. Die Schwierigkeiten, die in letzter Zeit von Einstein und Abraham hervorgehoben worden sind, treten erst dann auf, wenn man — was vom heutigen Standpunkte allerdings unabweislich erscheint — die Gravitation als Feldwirkung auffassen will und nach dem Verbleib der Gravita- tionsenergie im Felde fragt, und wenn man überdies das Postulat hinzufügt, daß träge und schwere Masse genau gleich sein sollen. Indem Mie (Ann. d. Phys. 40 (1913) S. 1) dieses letzte Postulat fallen läßt und nur verlangt, daß schwere und triige Masse prak- tisch gleich sein sollen, d. h. innerhalb der Genauigkeitsgrenzen der Beobachtungen, gelingt es ihm, eine Feldtheorie der Gravitation zu entwickeln, die sich vollständig in den Rahmen der Relativitätstheorie einfügt. Wir haben also hier einen wohldurch- dachten Ausweg aus den Schwierigkeiten, die das Gravitationsproblem — als Feld- wirkung aufgefaßt — der Relativitätstheorie zu bieten scheint, und sehen uns keines- wegs veranlaßt, das Relativitätsprinzip mit Abraham als widerlegt anzusehen. Dies zur Begründung der in der Einleitung zu diesen Anmerkungen ausgesprochenen An- sicht, daß Minkowskis Raum-Zeit-Anschauung auch heute noch unerschüttert dast-eht. S. 68 Abs. 2. Die „Grundgleichungen für die elektromagnetischen Vorgänge in be- wegten Körpern" sind von Minkowski in den Göttinger Nachrichten 1907 entwickelt. Es war ihm nicht mehr vergönnt, die „Ableitung dieser Gleichungen auf Grund von Vorstellungen der Elektronentheorie" zu Ende zu führen. Seine diesbezüglichen An- sätze sind von M. Born ausgearbeitet worden und bilden zusammen mit den „Grund- gleichungen" den ersten Band dieser Sammlung von Monographien (Leipzig 1910). 74 H. A. LORENTZ Das Kelativitätsprinzip und seine Anwendung auf einige besondere physikalische Erscheinungen. Von H. A. LoRENTz.*) Das Einsteinsche Relativitätsprinzip hier in Göttingen zu besprechen, wo Minkowski gewirkt hat, erscheint mir eine besonders willkommene Aufgabe. Man kann die Bedeutung dieses Prinzips von verschiedenen Gesichts- punkten beleuchten. Von der mathematischen Seite der Frage, die durch Minkowski eine so glänzende Darstellung gefunden hat und von Abraham, Sommerfeld u. a. weiter ausgebaut worden ist, soll hier nicht die Rede sein. Vielmehr sollen nach einigen erkenntnistheoretischen Betrachtungen über die Begriffe von Raum und Zeit diejenigen physikalischen Erscheinungen erörtert werden, die zu einer experimentellen Prüfung des Prinzips beitragen könnten. Das Relativitätsprinzip behauptet folgendes: Wenn eine physikalische Erscheinung im Bezugssystem x, y, z, t durch gewisse Gleichungen beschrieben wird, so wird es auch eine Erscheinung geben, die sich in einem andern Be- zugssystem x\ y\ z\ f durch dieselben Gleichungen beschreiben läßt Dabei hängen beide Bezugssysteme durch Beziehungen zusammen , in denen die Lichtgeschwindigkeit c vorkommt und die ausdrücken, daß das eine System sich relativ zum andern mit gleichförmiger Geschwindigkeit bewegt. Befindet sich der Beobachter A in dem ersten, B in dem zweiten Be- zugssystem, und verfügt jeder über Maßstäbe und Uhren, die in seinem System ruhen, so wird A die Werte von x, y, Zy t, B aber die Werte von x', y\ z\ V messen, wobei zu bemerken ist, daß A und B sich auch desselben Maßstabes und derselben Uhr bedienen können. Wir müssen annehmen, daß, wenn Maßstab und Uhr von dem ersten Beobachter irgendwie dem zweiten in die Hände gespielt werden, sie dabei von selbst die richtige Länge bezw. den richtigen Gang annehmen, derart, daß B aus seinen Mes- sungen die Werte von x\y\z\t' herausbekommt. Beide werden nim für die Lichtgeschwindigkeit den gleichen Wert finden und überhaupt die gleichen Beobachtungen machen können. *) Aus: Alte und neue Fragen der Physik; Vorträge, gehalten in Göttingen vom 24.-29. Okt. 1910, ausgearbeitet von M. Born (Phys. Zeitschr. 11 (1910)). Das RelatiTitätsprinzip u. Beine Anwend. auf einige besond. physik. Erscheinungen 75 Gesetzt, es ^be einen Äther; dann wäre unter allen SjBtemeii x,y,0ft eines dadurch ausgezeichnet, daß die Koordinatenachsen sowie die Uhr im Äther ruhen. Verbindet man hiermit die Vorstellung (die ich nur ungern aufgeben würde), daß Raum und Zeit etwas völlig Verschiedenes seien und daß es eine „wahre Zeit^' gebe (die Gleichzeitigkeit würde dann unabhängig vom Orte bestehen, entsprechend dem Umstände, daß uns die Vorstellung unendlich großer Geschwindigkeiten möglich ist), so sieht man leicht, daß diese wahre Zeit eben von Uhren, die im Äther ruhen, angezeigt werden müßte. Wenn nun das Relativitatsprinzip in der Natur allgemeine Gültigkeit hätte, so würde man allerdings nicht in der Lage sein, festzustellen, ob das gerade benutzte Bezugssystem jenes ausgezeichnete ist. Man kommt also dann zu denselben Resultaten, wie wenn man im Anschluß an Einstein und Minkowski die Existenz des Äthers und der wahren Zeit leugnet und alle Bezugssysteme als gleichwertig ansieht. Welcher der beiden Denkweisen man sich anschließen mag, bleibt wohl dem einzelnen überlassen. Um die physikalische Seite der Frage zu diskutieren, müssen wir zu- nächst die Transformationsformeln aufstellen, wobei wir uns auf eine spezielle Form beschränken, in der sie schon im Jahre 1887 von Voigt bei Erörte- rungen über das Dopplersche Prinzip benutzt worden sind, nämlich: c dabei erfüllen die Konstanten a > 0, & die Relation a«-6«=l, welche die Identität a;'«+ y'«+ z'^- cH'^ ^x^ + y^ + z^- cH^ zur Folge hat. Der Ursprung des Systems x\y\z' bewegt sich gegen das System x, y, z in der ;?-Richtung mit der Geschwindigkeit — c, die immer kleiner als c ist. Überhaupt muß jede Geschwindigkeit kleiner als c ange- nommen werden. Sämtliche Zustandsgrößen irgendeiner Erscheinung, in dem einen bez. dem andern System gemessen, hängen durch gewisse Transformationsformeln zusammen. Diese lauten z. B. für die Geschwindigkeit eines Punktes wobei ist. Wir betrachten weiter ein System von Punkten, deren Geschwindigkeit eine stetige Funktion der Koordinaten ist. Es sei dS ein den Punkt P(x,y,z) umgebendes Raumelement zur Zeit t] diesem Werte t und den Koordinaten ^, at),-6c C3 «. a — 6». 76 H. A. LOKENTZ von P entspricht nach den Transformationsgleicliungen ein Zeitpunkt t' in dem andern Bezugssystem, und jeder Punkt, der zur Zeit t in dS liegt, hat für diesen festgesetzten Wert von f bestimmte x\ y\ z . Die Punkte x\y\z' erfüllen ein Raumelement dS'j welches mit dS so zusammenhängt: dS rfS'= UJ Denken wir uns mit den Punkten ein Agens (Materie, Elektrizität etc.) verbunden, und nehmen wir an, daß der Beobachter B Anlaß habe, mit jedem Punkte dieselbe Menge des Agens zu verbinden wie der Beobachter A, so müssen sich offenbar die Elaumdichten umgekehrt verhalten wie die Volum- elemente, d. h. Alle diese Beziehungen sind reziprok, d. h. man kann die gestrichenen und ungestrichenen Buchstaben vertauschen, wenn man gleichzeitig h durch — h ersetzt. Die Grundgleichungen des elektromagnetischen Feldes behalten bei der Transformation ihre Gestalt, wenn man folgende Größei; einführt*): b;=«b,-6^,, b;=ab, + ^,, b/-b„ zwischen diesen, der transformierten Kaumdichte q' und der transformierten Geschwindigkeit ü' gelten also im System x',\/,z'yt' die Gleichungen: divb'= q\ divf)'«0, rotr=»|(b'+()V), rotb' V. c Soweit genügen die Feldgleichungen der Elektronentheorie dem Re- lativitätsprinzip; es wird sich aber noch darum handeln, die Bewegungs- gleichungen der Elektronen selbst mit dem Prinzip in Einklang zu bringen. Wir werden, etwas allgemeiner, die Bewegung eines beliebigen mate- riellen Punktes betrachten. Hierbei ist die Einführung des Begriff „Eigen- zeit", einer schönen Erfindung Minkowskis, von Nutzen. Danach gehört jedem Punkte gewissermaßen eine eigene Zeit zu, die vom gewählten Be- zugssystem unabhängig ist; ihr Differential wird definiert durch die Gleichung: dt^yi-^dt. *) Vgl. , was die Bezeichnungen betrifft, Mathematische Encyklopädie Y 14. Das Relativitätsprinzip n. seine Anwend. auf einige besond. phjsik. Erscheinungen 77 Die mit Hilfe der Eigenzeit r gebildeten Ausdrücke d dx d dy d dz dx dt ' dt dt ^ dt dt ' lineare homogene Funktionen der gewöhnlichen Beschleunigungskomponen- ten, bezeichnen wir als Komponenten der „Minkowskischen Beschleunigung*'. Wir beschreiben die Bewegung eines Punktes durch die Gleichungen: d dx ß, wo m eine Konstante ist, die wir die „Minkowskische Masse" nennen. Den Vektor St bezeichnen wir als „Minkowskische Kraft". Es lassen sich dann leicht die Transformationsformeln für diese Be- schleunigung und Kraft; ableiten; m lassen wir ungeändert. So hat man Das Wesentliche ist nun folgendes. Das Relativitätsprinzip erfordert, daß, wenn bei einer wirklichen Erscheinung die Minkowskischen Kräfte in be- stimmter Weise von den Koordinaten, Geschwindigkeiten usw. im einen Be- zugssystem abhängen, die transformierten Minkowskischen Kräfte im andern Bezugssystem in derselben Weise von den transformierten Koordinaten, Ge- schwindigkeiten usw. abhängen. Das ist eine besondere Eigenschaft, die aUe Kräfte der Natur haben müssen, wenn das Relativitätsprinzip gelten soll. Setzen wir das voraus, so kann man die auf bewegte Körper wirkenden Kräfte berechnen, wenn man sie für den Fall der Ruhe kennt. Bewegt sich z. B. ein Elektron von der Ladung e, so denken wir uns ein Bezugssystem, in dem es momentan ruht. Dann wirkt auf das Elektron in diesem System die Min- kowskische Krafb ^ . hieraus folgt durch Anwendung der Transformationsgleichungen für £ und b, daß die in einem beliebigen Koordinatensystem auf das mit der Geschwindig- keit t) bewegte Elektron wirkende Minkowskische Kraft V^-f. beträgt. Diese Formel stimmt mit dem gewöhnlichen Ansatz der Elektronen- theorie nicht überein infolge des Auftretens des Nenners. Der Unterschied rührt daher, daß man gewöhnlich nicht mit unserer Minkowskischen, son- dern mit der „Newtonschen Kraft" 5 operiert, und wir sehen, daß für ein Elektron diese beiden Kräfte folgendermaßen zusammenhängen: g-Äi/i-^. Man wird annehmen, daß diese Beziehung für beliebige materielle Punkte gilt. Math. Monogr. S: Eiziitein, LorenU, Minkowski: BeUtlviUttprinzip. 6 78 H. A. LORENTZ Somit kann man die Bewegungsersclieinungen auf zwei verschiedene Weisen behandeln, entweder mit der Minkowskischen oder mit der Newton- sehen Kraft. Im letzteren Falle lauten die Bewegung&gleichungen und hier bedeuten \^ die gewöhnliche Beschleunigung in der Richtung der Bewegung, js die gewöhnliche Normalbeschleunigung, und man nennt die Faktoren m Vf-W m die „longitudinale'* und „transversale Masse". Genau so wie die Minkowskischen Kräfte, müssen auch die in der Natur vorkommenden Newtonschen Kräfte bestimmten Bedingungen genügen, wenn das Relativitätsprinzip erfüllt sein soll. Das ist z. B. der Fall, wenn, unab- hängig von der Bewegimg, auf eine Fläche ein Normaldruck von der kon- stanten Größe p pro Flächeneinheit wirkt; im transformierten System wirkt dann auf das entsprechende bewegte Flächenelement ein normaler Druck von der gleichen Größe. Da wir die Invarianz der Feldgleichungen bereits erkannt haben, läuft die Frage, ob die Bewegungen in einem Elektronensjstem dem Relativitäts- prinzip entsprechen, lediglich auf eine experimentelle Prüfung der Formeln für die longitudinale und transversale Masse m^, mj heraus-, obgleich die Versuche von Bucherer und Hupka diese Formeln zu bestätigen scheinen, ist man zu einer definitiven Entscheidung noch nicht gekommen. Bezüglich der Masse des Elektrons ist noch zu bedenken, daß diese elek- tromagnetischer Natur ist; sie wird also von der Verteilung der Ladungen innerhalb des Elektrons abhängen. Die Formeln für die Masse können daher nur dann richtig sein, wenn die Ladungsverteilung und damit auch die Ge- stalt des Elektrons in bestimmter Weise mit der Geschwindigkeit veränder- lich sind. Man muß annehmen, daß infolge einer Translation ein Elektron, das ruhend eine Kugel ist, ein in der Bewegungsrichtung abgeplattetes EUip- soid wird; der Betrag der Abplattung ist v^ '-i; Nehmen wir an, daß Gestalt und Größe des Elektrons durch innere Kräfte reguliert werden, so müssen diese, um mit dem Relativitätsprinzip verträg- lich zu sein, derartige Eigenschaften haben, daß sich jene Abplattung bei Das Relativitätsprinzip u. seine Anwend. auf einige besond. physik. Erscheinungen 79 der Bewegung von selbst einstellt. Hierzu hat Poincare folgende Hypothese gemacht. Das Elektron ist eine geladene ausdehnbare Haut; und den elek- trischen Abstoßungen der einzelnen Punkte widersetzt sich eine innere Normal- spannung von unveränderlicher Größe. In der Tat genügen nach obigem solche Normalspannungen dem Relativitätsprinzip. In derselben Weise müssen alle innerhalb der ponderablen Materie wirk- samen Molekularkräfte^ ebenso die auf die Elektronen wirkenden quasi-elasti- schen und Widerstandskräfte, bestimmten Bedingungen genügen^ um mit dem Relativitätsprinzip im Einklang zu sein. Dann wird jeder bewegte Körper für einen mitbewegten Beobachter unverändert sein, für einen ruhenden aber eine Veränderung der Dimensionen erfahren, die eben eine Folge der durch jene Bedingungen geforderten Änderung der Molekularkräfte ist. Hieraus ergibt sich auch von selbst jene Verkürzung der Körper, welche schon früher erdacht wurde zur Erklärung des negativen Ausfalls des Michelsonschen Interferenzversuches und aller ähnlichen Versuche, die einen Einfluß der Erdbewegung auf optische Erscheinungen feststellen sollten. Was den starren Körper anlangt, mit dem sich Born, Herglotz, F.Noether, Levi-Civitä beschäftigt haben, so werden die bei der Betrachtung der Rota- tionen auftretenden Schwierigkeiten wohl dadurch zu heben sein, daß man die Starrheit der Wirksamkeit besonders intensiver Molekularkräfte zu- schreibt. Schließlich wollen wir uns der Gravitation zuwenden. Das Relativitäts- prinzip erfordert eine Abänderung des Newtonschen Gesetzes, vor allem eine Fortpflanzung der Wirkung mit Lichtgeschwindigkeit. Die Möglichkeit einer endlichen Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Schwerkraft ist schon von La- place diskutiert worden, der sich als Ursache der Schwerkraft ein gegen die Sonne strömendes Fluidum dachte, das die Planeten gegen die Sonne drückt. Er fand, daß die Geschwindigkeit c dieses Fluidums wenigstens 100 Millionen mal größer als die des Lichtes angenommen werden müsse, damit die Rech- nung mit den astronomischen Beobachtungen im Einklang bleibt Die Not- wendigkeit eines so großen Wertes von c rührt daher, daß in seinen End- formein die Größe — in der ersten Potenz auftritt, wo v die Planetenge- schwindigkeit ist. Soll uun aber die Fortpflanzungsgeschwindigkeit c der Schwerkraft den Wert der Lichtgeschwindigkeit haben, wie es das Belativi- tätsprinzip fordert, so kann ein Widerspruch mit den Beobachtungen nur dann vermieden werden, wenn in dem Ausdruck für das modifizierte Gravi- tationsgesetz nur Größen zweiter (und höherer) Ordnung in — auftreten. Beschränkt man sich auf Größen zweiter Ordnung, so läßt sich leicht auf Grund einer naheliegenden elektronentheoretischen Analogie eine Be- dingung angeben, die das abgeänderte Gesetz in eindeutiger Weise festlegt. 80 ^ ^- LORENTZ Betrachtet man nämlich die Kraft; die auf ein mit der Geschwindigkeit t) bewegtes Elektron wirkt, 80 hängen die Vektoren b und ^ noch von den Geschwindigkeiten t)' der das Feld erzeugenden Elektronen ab; in dem Vektorprodukt [t) • f)] kommen daher wohl die Produkte der Form öö' vor, nicht aber das Quadrat ö* der Ge- schwindigkeit des betrachteten Elektrons. Nehmen wir entsprechend an, daß im Ausdruck der auf den Punkt 1 wirkenden Anziehung, ausgeübt von Punkt 2, das Quadrat der Geschwindigkeit des Punktes 1, ID^^, nicht auftritt, so muß in einem Bezugssystem, in dem der Punkt 2 ruht (t), = 0), jede Ge- schwindigkeit überhaupt herausfallen; das Gesetz wird sich daher in diesem System auf das gewöhnliche Newtonsche reduzieren. Geht man jetzt durch Transformation zu einem beliebigen Koordinatensystem über, so findet man, daß sich die auf den Punkt 1 wirkende Krafk aus zwei Teilen zusammen- setzt, erstens einer Anziehung in Richtung der Verbindungslinie vom Betrage zweitens einer Kraft in der Richtung t)^ vom Betrage hier bedeutet r die Entfernung zwischen zwei gleichzeitigen Lagen beider Punkte, ö^ die Komponente von ö nach der von 1 nach 2 gezogenen Ver- bindungslinie und R diejenige Funktion von r, welche im Falle der Ruhe das Anziehungsgesetz darstellt (jß =» -j bei der Newtonschen Attraktion, B='kr bei quasi-elastischen Kräften). Zu beachten ist, daß hier unter „Kräfte immer die „Newtonsche Kraft" zu verstehen ist, nicht die „Minkowskische". Übrigens hat Minkowski für das Gesetz der Schwerkraft einen etwas anderen Ausdruck angegeben. Bei Poincare findet sich sowohl dieser als auch der oben hingeschriebene. Es ist zu beachten, daß bei diesen Gesetzen der Schwerkraft das Prinzip der Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung nicht erfüllt ist. Es sollen nun die Störungen erörtert werden, welche durch jene Zusatz- glieder zweiter Ordnung entstehen können. Es gibt da neben vielen kurz- periodischen Störungen, die keine Bedeutung haben, eine säkulare Bewegung des Perihels der Planeten. De Sitter berechnet diese für den Merkur zu 6,69" pro Jahrhundert.*) Nun kennt man seit Laplace eine Perihelanomalie des Merkurs vom Betrage 44" pro Jahrhundert; wenn diese auch das rich- *) Dies war eine erete Annäherung. Bei einer neuen ßerechnung hat de Sitter den Wert 7,16" gefunden (Monthly Notices of R. A. Sc. 71 (1911) S. 406). Das RelatiyitätBprinzip n. seine Anwend. auf einige besond. physik. Erscheinungen 81 tige Vorzeichen hat, ist sie doch viel zu groß, um durch jene Zusatzglieder erklärt werden zu können. Vielmehr wird sie von Seeliger auf eine Störung durch den Trager des Zodiakallichtes zurückgeführt, dessen Masse man in plausibler Weise geeignet bestimmen kann. Hieraus kann also keine Ent- scheidung gewonnen werden, so lange nicht die Genauigkeit der astronomi- schen Messungen wesentlich gesteigert wird. Bei einer absoluten Genauig- keit wäre auch der Unterschied der „Eigenzeit*^ der Erde von der Zeit des Sonnensystems zu berücksichtigen. Eine andere Methode, die Gültigkeit des abgeänderten Gravitations- gesetzes zu prüfen, kann man auf ein Verfahren gründen, das Maxwell zur Entscheidung darüber vorgeschlagen hat, ob das Sonnensystem sich durch den Äther hindurchbewegt. Ist dieses der Fall, so müßten die Verfifiste- rungen der Trabanten des Jupiters, je nach der Stellung dieses Planeten zur Erde, Verfrühungen oder Verspätimgen erleiden. Denn beträgt die Entfernung Jupiter— Erde a imd die Geschwindigkeits- komponente des Sonnensystems im Äther in Richtung der Verbindungslinie Jupiter— Erde r, so wird die Zeit — , die das Licht im Falle der Ruhe zum Durchlaufen der Strecke a brauchen würde, verwandelt in — , — : es kommt also durch die Bewegung eine Verfrühung oder Verspätung zustande, die bis auf Glieder zweiter Ordnung -^ beträgt und die je nach dem Werte der Geschwindigkeitskomponente v, welche ja von der Stellung der beiden Pla- neten abhängt, verschiedene Werte annimmt. Nun ist klar, daß eine solche Abhängigkeit der Erscheinungen von der Bewegung durch den Äther dem Relativitätsprinzip widerspricht. Um diesen Widerspruch aufzuklären, wollen wir uns die Sachlage sche- matisch vereinfachen. Wir denken uns, daß die Sonne S eine Masse habe, die im Verhältnis zu der des Planeten unendlich groß sei. Die Geschwindig- keit des Sonnensystems falle in die jer -Achse, die wir durch die Sonne y^ ^^\ gehen lassen. Die Schnittpunkte der / \ ^ Bahn des Planeten mit der ^-Ächse S Fi 5 h ^^ bezeichnen wir als oberen bezw. unteren Durchgang A bezw. B (Fig. 5). Den Beobachter verlegen wir auf die Sonne. Bei jedem Durchgange des Planeten durch die £r-Ächse möge ein Lichtsignal zur Sonne hineilen. Die Umlaufszeit sei T. Wenn die Sonne ruht, wird bei der als kreisförmig vorausgesetzten Bewegung die Zeit zwischen oberem und unterem Durch- gange 1 T betragen; desgleichen auch die Zeit zwischen dem Eintreffen der 82 H. A. LOBENTZ beiden Liehtsignale. Bewegt sich dagegen die Sonne in der r -Richtung, so muß das Lichtsignal vom oberen Durchgänge eine Verfrühung um — ^ , das vom unteren Durchgänge eine Verspätung vom selben Betrage erleiden; falls die gleichförmige Umlaufsbewegung (wie Maxwell als selbstverständlich vor- aussetzt) ungestört erhalten bleibt, würde das Zeitintervall zwischen dem Eintreffen der Lichtsignale zweier aufeinanderfolgender Durchgänge ab- Q /» 41 wechselnd um --,- vergrößert und verkleinert erscheinen. Die hierbei vor- ausgesetzte Erhaltung der gleichförmigen Kreisbewegung bei einer Trans- lation im Äther ist aber nach dem Kelativitätsprinzip unmöglich. Beschreiben wir nämlich den Vorgang in einem Koordinatensystem, das an der Bewegung nicht teilnimmt, so wird das modifizierte Gravitationsgesetz anzuwenden sein, und dieses ergibt eine Ungleichförmigkeit der Planetenbewegung, infolge deren die Verschiedenheit der Zeitiiitervalle zwischen dem Eintreffen der Liehtsignale gerade aufgehoben wird. Es kann daher die Feststellung, ob eine Verfrühung oder Verspätung der Verfinsterungen wirklich eintritt, zur Entscheidung für oder gegen das Relativitätsprinzip benutzt werden. Allerdings sind die numerischen Ver- hältnisse wieder recht xmgünstig. So schätzt Herr Burton, dem 330 photo- metrische Beobachtungen zur Verfügung stehen, die an der Harvard-Stern- warte über die Verfinsterungen des 1. Jupitersatelliten angestellt worden sind, den wahrscheinlichen Fehler des schließlichen Resultats für t? auf 50 km/sec; andrerseits hat man Stemgesch windigkeiten von 70 km/sec beobachtet und die Geschwindig^keit des Sonnensystems gegen den Fixstern- himmel wird auf 20 km/sec geschätzt. Durch Burtons Berechnungen wird also das Relativitätsprinzip schwerlich gestützt, höchstens zu Fall gebracht werden können, nämlich wenn sich schließlich z. B. eiu 100 km/sec über- steigender Wert erpLbe. Lassen wir es dahin gestellt, ob die neue Mechanik durch astronomische Beobachtungen eine Bestätigung erfahren wird oder nicht. Doch wollen wir es nicht unterlassen, noch einige ihrer Grundformeln kennen zu lernen. Definiert man die Arbeit als das skalare Produkt aus „Newtonscher Kraft" und Verschiebung, so ergeben die Bewegimgsgleichungen das Energie- prinzip in der gewöhnlichen Form, daß die pro Zeiteinheit geleistete Arbeit gleich der Zunahme der Energie € ist: ü* dt '^ ^y dt "^ "* dt dt * Dabei hat die Energie den Ausdruck: ,2 mc (lÄq;-')' Das Belativitätsprinzip u. seine Anwend. auf einige besond. physik. Erscheinungen 83 das stimmt für kleine Geschwindigkeiten mit dem Wert der kinetischen Energie der gewöhnlichen Mechanik überein. Femer kann man aus den Bewegungsgleichungen das Hamütonsche Prinzip fi ableiten; hier ist dA die Arbeit der „Newtonschen Kraft" bei einer virtuellen Verrückung und L die Ldgrangesche Funktion^ die folgendermaßen lautet: Z = -,»c»(]/i-^^'-l). Aus dem Hamiltonschen Prinzip kann man umgekehrt wieder die Be- wegungsgleichungen gewinnen. Die Größen dL dL dL das ' dy ^ dz werden als Komponenten der Bewegungsgröße zu bezeichnen sein. Alle diese Formeln kann man an den elektromagnetischen Bewegungs- gesetzen eines Elektrons verifizieren; man hat dann für die ^^Minkowskische Masse" m den Wert zu setzen und zu der elektrischen und der magnetischen Energie die Energie jener inneren Spannungen hinzuzufügen^ welche , wie wir sahen ^ die Form des Elektrons bestimmen. So kann man aus dem allgemeinen Prinzip der kleinsten Wirkung für beliebige elektromagnetische Systeme, welches in dem ersten Vortrage besprochen wurde*), durch Spezialisierung auf ein Elektron das eben angegebene Hamiltonsche Prinzip für einen materiellen Punkt ge- winnen, doch muß wieder die Arbeit jener inneren Spannungen berück- sichtigt werden. Wir gehen jetzt dazu über, die Gleichungen des dektromagnetischen Feldes für ponderdble Körper zu betrachten. Diese sind rein phänomeno- logisch von Minkowski aufgestellt worden, dann ist von M. Born und Ph. Frank gezeigt worden, daß sie sich auch aus den Vorstellungen der Elektronentheorie herleiten lassen; auch ich selbst habe auf letzterem Wege die Gleichungen in einer formal etwas abweichenden Gestalt erhalten. Um Beziehungen zwischen beobachtbaren Größen zu bekommen, muß man durch Bildung von Mittelwerten über große Mengen von Elektronen die Einzelheiten der von ihnen herrührenden Erscheinungen verwischen. ♦) Phys. Zeitschr. 11 (1910) S. 1235. 84 H. A. LOBENTZ Man wird so auf folgende Gleichungen geführt (die mit denen der gewöhn- lichen Maxwellscheu Theorie gleichlauten): divS)-(>„ div»-0, rotJp = 4-(e + j)), rot ® = - - » . c Hierin ist ^ die dielektrische Verschiebung^ 93 die magnetische Induk- tion^ $ die magnetische Kraft , (S die elektrische Kraft , S der elektrische Strom^ Qf die Dichte der beobachtbaren elektrischen Ladungen. Deutet man die Mittelwertbildung durch Überstreichen an^ so ist z. B. wo b, ^ die frühere Bedeutung haben-, femer ist wo ^ das elektrische Moment, 331 die Magnetisierung pro Yolumeinheit und tu die Geschwindigkeit der Materie bedeuten. Bei der Ableitung dieser Formeln sondert man die Elektronen in drei Arten. Die erste Art, die Pola- risationselektronen, erzeugen durch ihre Verschiebung das elektrische Mo- ment ^; die zweite Art, die Magnetisierungselektronen, erzeugen durch ihre Umläufe das magnetische Moment 9R; die dritte Art, die Leitungselek- tronen, bewegen sich frei in der Materie und erzeugen die beobachtbare Ladungsdichte q^ und den Strom S. Letzterer ist noch in zwei Teile zu trennen; denn ist u die Relativgeschwindigkeit der Elektronen gegen die Materie, so ist die gesamte Geschwindigkeit der Elektronen ü = tDH-u, also der von ihnen transportierte Strom Q ist die beobachtbare Ladung ft, ^tü der Konvektionsstrom, gn der eigent- liche Leitungsstrom 6!^. Für alle diese Größen existieren Transformatiousformeln, von denen einige angegeben werden mögen: e„ 6;-6,, G;=a6,-tc()„ Q.'-üQ,- c " ^;=«*,-|(».*x-»x^,) + &3K„ %'- «*v- T ("'^v- ».*') - ^^" W=^.- Das Belatiyitätaprmzip u. seine Anwend. auf einige besond. physik. Erscheinungen 85 Femer sind folgende Hilfsvektoren von Nutzen: Die angegebenen Feldgleichungen müssen jetzt noch ergänzt werden durch Aufstellung der Beziehungen, die zwischen den Vektoren @; ^ und ^f 93 bestehen. Man kann diese Relationen auf zwei Weisen gewinnen. Die erste phänomenologische Methode verfährt so: Man betrachtet eiatn beliebig bewegten Punkt der Materie und fQhrt ein Bezugssystem ein, in dem dieser ruht; dann wird, faUs das den Punkt umgebende Yolumelement in dem Ruhesystem isotrop ist, z. B. zwischen @ und ^ die für ruhende Körper zutreffende Gleichung gelten oder auch weil die Hilfsvektoren D^, (S^ für tt)«0 mit 2), @ identisch sind. Nun trans- formieren sich aber ©^ und 6^ in gleicher Weise, und daraus folgt, daß auch im ursprünglichen Bezugssystem die Gleichung 2)i-«ei gültig bleibt. Entsprechend ist Was den Leitungsstrom betrifft^ so bemerken wir nur, daß er von (S^ abhängt. Die zweite Methode geht auf die Mechanik der Elektronen zurück. Ebenso wie sich für ruhende Körper die Gleichung © =- f@ als Folge der Annahme quasi-elastischer Kräfte erweist, die die Elektronen in ihre Ruhe- lagen zurückziehen, wird man bei bewegten Körpern die Gleichung S)i— £@i erhalten, wenn man den quasi-elastischen Kräften diejenigen Eigenschaften zuschreibt, die das Relativitätsprinzip verlangt. Letzteres wird erfüllt sein, wenn man für diese Kräfte den Ausdruck des verallgemeinerten Attraktions- gesetzes ansetzt, wobei R proportional r genommen werden muß. Ahnliches gilt von der Erklärung des Leitungswiderstandes. Eine be- friedigende elektronentheoretische Erklärung der magnetischen Eigenschaften der Körper ist zurzeit nicht vorhanden. Zum Abschluß soll die Bedeutung der vorstehenden Gleichungen au drei bemerkenswerten Fällen erläutert werden. Die erste Bemerkung knüpft an die Gleichung an. Zufolge dieser kann Q^ verschwinden, ohne daß ()^» zu sein braucht, 86 B* '^' LOBENTZ weQD nur ein Strom & vorhanden ist; d.h. ein Beobachter Ä wird den Körper für geladen erklären, den ein relativ zu ihm bewegter B für ungeladen halten muß. Man kann das verstehen , wenn man beachtet^ daß in jedem Körper gleich viele positive und negative Elektronen vorhanden sind, die sich bei ungeladenen Körpern kompensieren. Bewegt sich der Körper mit der Ge- schwindigkeit )D, so werden; wenn ein Leitungsstrom vorhanden ist, beide Elektronenarten verschiedene Gesamtgeschwindigkeiten erhalten, also wird für beide Arten auch die Größe o = a — h- verschiedene Werte haben. Be- r«h.,t .^ .in „iUem Körp» b..egte, i.ob„tor B d«. MW.ert d„ Ladungsdichte p'=- ©p für beide Arten von Elektronen, so kann er die Summe Null erhalten, auch wenn sich für einen Beobachter A, in dessen Bezugssystem der Körper sich bewegt, die Mittelwerte q der positiven und negativen Elektronen nicht kompensieren. Dieser Umstand ruft eine Reminiszenz an eine alte Frage hervor. Um das Jahr 1880 gab es imter den Physikern eine große Diskussion über das Cluusiussclie Grundgesetz der Elektrodynamik. Man woUte damals einen Widerspruch dieses Gesetzes mit den Beobachtungen herleiten, indem man schloß, daß nach dem Gesetze ein auf der Erde befindlicher stromdurch- flossener Leiter auf eine mitbewegte Ladung e infolge der Erdbewegung eine Wirkung ausüben müßte, die man hätte auffinden können. Daß das Gesetz tatsächlich diese Wirkung nicht fordert, hat Budde bemerkt; es rührt das daher, daß der Strom durch die Erdbewegung auch auf sich selbst wirkt und eine „Kompensationsladung'' auf dem durchflossenen Leiter hervorruft, die jene erste Wirkung genau aufhebt. Zu ähnlichen Schlüssen iührt die Elektronentheorie und ich finde für die Dichte der Kompensationsladung, wenn die Geschwindigkeit die Richtung der jer-Achse hat, diese muß ein an der Bewegung der Erde nicht teilnehmender Beobachter A als vorhanden annehmen, während sie für einen mitbewegten Beobachter B nicht besteht. Der angegebene Wert stimmt genau mit der aus dem Rela- tivitätsprinzip abgeleiteten Formel überein; denn ist ()/= 0, so findet man aus dieser Formel und da tt), = — nach dem im Vorhergehenden (S. 75) Gesagten die Ge- schwindigkeit der beiden Bezugssysteme gegeneinander ist, so findet man in der Tat Das Relativitätsprinzip n. seine Anwend. aaf einige besond. physik. Erscheinnngen 87 Die zweite Bemerkung geht von den Transformationsgleichungen fiir das elektrische Moment ^ (S. 84) aus, welche dadurch^ daB in ihnen die Magne- tisierung 9)t vorkommt, die Unmöglichkeit erkennen lassen, scharf zwischen Polarisations-undMagnetisierangselektronen zu unterscheiden. Vielmehr kann in einem magnetisierten Körper (9J{4"0), von einem Bezugssystem aus beurteilt, 5ß »— sein, während in einem andern Bezugssystem $ß' von Null verschieden ist. Es soll das nun auf einen speziellen Fall angewendet werden, wobei wir uns auf Größen 1. Ordnung beschränken. Der betrachtete Körper (etwa ein Stahlmagnet) enthalte nur Leitungselektronen und solche, die, wenn der Körper ruht, ein 3Ji, aber kein ^ hervorbringen; er habe die Gestalt einer unendlich ausgedehnten ebenen Platte, begrenzt von zwei Ebenen a, &; die Mittelebene machen wir zur y^er -Ebene (Fig. 6). Wenn er ruht, möge in der y-Richtung eine konstante Magnetisierung SM be- stehen, während ^ = ist. Bekommt der Körper in der jer-Riehtung die Geschwindigkeit v, so wird ein an der Bewegung nicht teilnehmender Beobach- ter die elektrische Polarisation X ^.= -^2« wahrnehmen. Jetzt denken wir uns zu beiden Seiten des Körpers zwei Konduktoren c, d, welche mit ihm zusammen zwei gleiche Kondensatoren bilden, und diese mögen durch einen Draht (von c nach d) kurz- geschlossen sein. Bei der Bewegung werden auf c ^^s- «• nud d Ladungen entstehen, die sich so berechnen lassen. Da offenbar ein Strom in der a; -Richtung unmöglich ist, ist @j^= oder ®^= — S5 . Da der Vorgang stationär ist, wird 33 — 0; dann folgt aus rot ® = die Existenz eines Potentials (p. Ist ^ die Dicke der Platte, so hat man Aus der Symmetrie der Anordnung folgt offenbar und weil die Platten c, d kurzgeschlossen sind, muß sein; daraus ergibt sich ^d — 9a Ist y die Kapazität eines der beiden Kondensatoren, so wird die Ladung der Platte d gleich v .^ und c bekommt den entgegengesetzt gleichen Betrag. -Ä^». 88 H- A. LORENTZ Jetzt vergleichen wir diesen Vorgang mit dem umgekehrten Fall, daß der Magnet ab ruht und die Platten c, d sich mit der entgegengesetzten Ge- schwindigkeit bewegen. Dann müßte nach dem Relativitätsprinzip alles ganz ebenso sein, wie im ersten Falle. In der Tat findet man sofort aus dem ge- wöhnlichen Induktionsgesetz genau den oben angegebenen Betrag der Ladung auf der Platte d. Aber es muß jetzt diese Ladung auf d eine entgegengesetzt gleiche auf der Ebene a des ruhenden Magneten iijfiuenzieren, und Ent- sprechendes muß für b und c gelten. Da ein Strom nicht fließen kann (@^ — 0), müssen in beiden Fällen, ob der Magnet sich bewegt und die Platten ruhen, oder umgekehrt, dieselben Ladungen auf dem Magneten bestehen. Wir haben uns also zu überlegen, wie es kommt, daß in dem zuerst behandelten Falle auf der Ebene a des bewegten Magneten die entgegengesetzte Ladung wie auf der Platte d auftritt; es wird dies nur möglich durch jene bei der Be- wegung entstehende Polarisation ^, = SR^ . Denn man hat da hier ^ in der Geschwindigkeit von der ersten Ordnung, also das Glied [^ • lü] zu vernachlässigen ist, wird 58-2»-^, § aber ist Null, weil die Platte unendlich ausgedehnt angenommen wird. Daraus folgt in der bewegten Platte findet keine dielektrische Verschiebung statt, also entspricht die Ladung auf a der auf d, wie es das Relativitätsprinzip verlangt. Die letzte Betnerkung betrifft wiederum den Umstand, daß nach dem Relativitätsprinzip die Bewegung der Erde einen Einfluß auf die elektro- magnetischen Vorgänge nicht haben kann. Es ist aber von Lienard auf eine Erscheinung aufmerksam gemacht worden, wo ein solcher Einfluß, und zwar zu einem Betrage 1. Ordnung, zu erwarten sein soll; auch Poincare hat diesen Fall in seinem Buche Electricite et Optique diskutiert. Es handelt sich um die ponderomotorische Kraft auf einen Leiter. Um diese zu bestimmen, wird man für die auf die Leitungselektronen wirkende Kraft pro Einheit der Ladung den naheliegenden Ansatz machen: e. = ® + y [»•»]; dann ergibt sich die durch die Erdbewegung hervorgerufene Kraft auf den Leiter in Richtung der Bewegung vom Betrage f.(e,-®)».; I Das BelaÜTitätsprinzip n. seine Anwend. auf einige besond. physik. Erscheinungen 89 da ((£j • @) die vom Leitungsstrom S, entwickelte Wärme ist, ist dieser Aus- druck leicht numerisch zu berechnen (wobei sich freilich ein der Beobach- tung unzu^nglicher Wert ergibt). Fragt man sich nun, wie dieses dem Relativitatsprinzip widersprechende Resultat zustande kommen kann, so sieht man, daß man in Wirklichkeit nicht die Kraft berechnet hat, welche auf die Materie des Leiters wirkt, son- dern die, welche die im Innern des Leiters beweglichen Elektronen angreift. Letztere Krafb muß erst durch Kräfte, die uns im einzelnen unbekannt sind, auf die Materie übertragen werden, und das geschieht nur dann ohne Ände- rung der Größe, wenn für die Kräfte zwischen Materie und Elektronen Gleich- heit von Wirkung imd Gegenwirkung besteht. Für bewegte Körper ist aber in diesem Fall nach dem Relativitätsprinzip die Wirkung nicht gleich der Gegenwirkung, und dieser Umstand kompensiert gerade genau jene Li^ nardsche Kraft. Zusammenfassend kann man sagen, daß wenig Aussicht besteht, das Relativitatsprinzip experimentell zu bestätigen; es kommen außer einigen astronomischen Beobachtuugen nur die Messungen der Masse der Elektronen in Betracht. Doch darf man nicht vergessen, daß der negative Ausfall verschiedener Versuche, wie des Michelsonschen Literferenzversuches und der Experimente zur Feststellung einer durch die Erdbewegung hervor- gerufenen Doppelbrechung, nur durch das Relativitätsprinzip erklärt werden konnte. Druck von B. O. Tenbnor in Leipsig.